Corona-Krise Staat plant 500-Milliarden-Rettungsschirm für die Wirtschaft

Berlin · Der Bund soll sich an größeren Unternehmen wie der Lufthansa notfalls direkt beteiligen. Für kleinere Unternehmen sind Zuschüsse und günstige Darlehen geplant. Am Montag fallen weitreichende Entscheidungen.

 Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als Krisenmanager.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als Krisenmanager.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Bundesregierung will angesichts der Bedrohung durch die Corona-Krise einen weiteren, bis zu 500 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm für die deutsche Wirtschaft aufspannen. Das wurde am Freitag aus Regierungskreisen bekannt. Nach dem Vorbild des Bankenrettungsfonds Soffin, der in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren der Stabilisierung des Bankensektors diente, soll der Fonds Garantien für Verbindlichkeiten angeschlagener Unternehmen aussprechen oder direkt Kapital zuschießen. Das würde zu einer vorübergehenden Teilverstaatlichung vieler größerer Unternehmen führen, etwa der Lufthansa.

Die endgültige Entscheidung über den Fonds wollen die Spitzen von Union und SPD an diesem Wochenende fallen. Der entsprechende Gesetzentwurf könnte bereits am Montag vom Kabinett gebilligt und kommende Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Der 500-Milliarden-Fonds wäre ein zusätzliches Mittel, mit dem die Bundesregierung die drohende Welle von Unternehmensinsolvenzen verhindern will. Dazu soll die Notfallregelung bei der Schuldenbremse greifen. Das Grundgesetz sieht in außergewöhnlichen Notlagen wie der Corona-Krise die Möglichkeit vor, die sonst strengen Schuldenregeln auszusetzen und die Neuverschuldung des Bundes unbegrenzt zu erhöhen. Auch darüber soll das Kabinett bereits am Montag entscheiden.

Der Rettungsfonds für größere Firmen kommt zusätzlich zu einem bereits vereinbarten Solidaritäts- oder Notfallfonds für kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern im Umfang von weiteren 40 Milliarden Euro. Aus diesem kleineren Fonds will der Bund zehn Milliarden Euro für direkte Zuschüsse an Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen verwenden, die nicht mehr zurückgezahlt werden müssen. Weitere 30 Milliarden Euro stehen für günstige Darlehen bereit. Auch dieser Notfallfonds soll am Montag auf den Weg gebracht werden.

Die Regierung reagiert mit diesen Maßnahmen darauf, dass ihr ursprünglicher Plan, den Unternehmen weitgehend mit KfW-Überbrückungskrediten zu helfen, nur teilweise aufgeht: Vor allem kleinere Unternehmen sehen sich wegen massiver Umsatzeinbußen nicht in der Lage, Kredite aufzunehmen und zurückzuzahlen. Wirtschaftsverbände forderten daher direkte Zuschüsse. Der CDU-Mittelstandspolitiker Carsten Linnemann sprach von 30.000 bis 40.000 Euro, die der Staat im Einzelfall auszahlen solle. Der Freistaat Bayern hat bereits ein entsprechendes Sofortgeld beschlossen.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatten der Wirtschaft vor gut einer Woche unbegrenzt Liquiditätskredite der Staatsbank KfW versprochen. Dazu hat der Bund seinen Garantierahmen für die KfW auf 550 Milliarden Euro kurzfristig erhöht. Auch diese Hilfe, die Unternehmen über ihre Hausbanken erhalten, soll am Montag praktisch anlaufen. Viele Unternehmen leiden bereits seit Wochen unter dem kompletten Ausfall ihrer Geschäfte. Eine große Pleitewelle kann die Regierung nur noch verhindern, wenn die Rettungsinstrumente ab kommender Woche greifen.

Scholz hatte am Donnerstagabend im ZDF erklärt, er wolle große Konzerne notfalls auch mit einer befristeten staatlichen Beteiligung stützen. Es gehe "auch um Großkonzerne, bei denen ja unglaublich viele beschäftigt sind", sagte Scholz. „Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern", ergänzte CDU-Minister Altmaier. „Dabei darf es keine Tabus geben. Vorübergehende und zeitlich begrenzte Staatshilfen, bis hin zu Beteiligungen und Übernahmen müssen möglich sein.“

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, betonte: „Eine kluge Lösung, um größere Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren, ist die Gründung eines Staatsfonds, der Eigenkapital an deutschen Unternehmen erwirbt.“ So sei der Bund schon in der Finanzkrise vorgegangen, damals sei etwa die Commerzbank teilverstaatlicht worden. „Der Unterschied heute ist, dass die Bundesregierung sich an gesunden Unternehmen beteiligen würde, um ihnen das wirtschaftliche Überleben zu ermöglichen, aber ohne sie in ihrem wirtschaftlichen Handeln zu beschneiden“, sagte Fratzscher. „Langfristig könnte der Staat diese Beteiligungen entweder wieder verkaufen oder mit kleinen Anteilen an privaten Unternehmen beteiligt bleiben, um die daraus resultierenden Erträge für die Verbesserung von Rente und Vorsorge zu nutzen“, schlug Fratzscher vor. Länder wie Norwegen und Singapur seien mit ihren Staatsfonds ein gutes Beispiel, wie diese im Interesse aller Bürger genutzt werden könnten.

Der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, erklärte, Staatsbeteiligungen kämen für große und mittelgroße Unternehmen infrage, kleinere dagegen bräuchten eher Zuschüsse. „Grundsätzlich könnte und dürfte es auch um Dax-Konzerne gehen“, sagte Dullien. „Auch bei mittleren Kapitalgesellschaften – den so genannten Hidden Champions - könnte man über Beteiligungen nachdenken, etwa in der Form von Vorzugsaktien, die die Eigentümer dann nach der Krise wieder zurückkaufen können.“

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