Bankenkrise nicht im Griff Spanien gesteht Geldprobleme ein
Das angeschlagene Land kann sich am Kapitalmarkt kaum mehr frisches Geld zur Refinanzierung leihen, berichtet der spanische Finanzminister. Banken sollen sich direkt aus den Euro-Rettungstöpfen bedienen können, fordern die Krisenländer. Zudem reifen Pläne für eine EU-Bankenunion.
Berlin/Brüssel Spanien bekommt seine Bankenkrise nicht in den Griff: Die Regierung in Madrid hat erstmals Probleme bei der Beschaffung von frischem Geld auf den Finanzmärkten eingeräumt und so Spekulationen über eine Flucht unter den Euro-Rettungsschirm angeheizt. Die derzeitigen Zinsen von fast sieben Prozent seien nicht tragbar, sagte Finanzminister Cristobal Montoro gestern. "Der Risikoaufschlag bedeutet, für Spanien ist die Tür zum Markt geschlossen." Das versetzte die Finanzmärkte weiter in Unruhe. Der Dax fiel erneut und blieb unter 6000 Punkten.
Angesichts der verschärften Lage erhöht sich der deutsche Druck auf Madrid: "Ich sehe das Risiko, dass Spanien die Entscheidung, Schutz unter einem Euro-Rettungsschirm zu suchen, zu spät trifft", sagte der Chef der SPD-Bundestagfraktion, Frank-Walter Steinmeier, in Brüssel. "Ich glaube, es wird kommen."
Spaniens Probleme liegen vor allem im Bankensektor, den der Staat mit zweistelligen Milliardenbeträgen stützen muss. EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds (IWF) und Krisenländer fordern daher nun eine stärkere Integration des europäischen Bankensektors, eine so genannte "Bankenunion". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei bereit, eine Bankenunion zu unterstützen, hieß es gestern in Brüssel nach einem Treffen Merkels mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Montagabend in Berlin.
Ein Fahrplan zur Bankenunion soll bereits beim EU-Gipfel Ende Juni beschlossen werden. Ziel ist es zu verhindern, dass strauchelnde Großbanken weiter zur Existenzbedrohung für ihre Heimatländer werden. Kernelemente sind eine einheitliche Bankenaufsicht, eine gemeinsame Einlagensicherung in der Euro-Zone sowie ein zentraler Rettungsfonds für notleidende Institute. Bislang sind nur die Banken eines Landes auf gegenseitige Hilfe im Krisenfall verpflichtet.
Allerdings könnte eine solche Bankenunion Ländern wie Spanien kurzfristig nicht helfen. "Die Bankenunion wäre eher ein mittelfristiger Ansatz", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister.
Daher wird immer lauter auch der direkte Zugriff der Banken auf die europäischen Rettungsfonds EFSF und ESM gefordert. Krisenländer wie Spanien müssten sich dann nicht dem EU-Diktat unterwerfen. Denn bisher gibt es Rettungshilfen nur für Staaten und nur gegen strikte Reformauflagen.
Der Nachteil: Direkte Banken-Hilfen über den ESM sind zügig nicht umsetzbar. Dazu müssten die Regeln des Fonds geändert werden. Deutschland lehnt das ab. Experten halten den direkten Weg dennoch für wirkungsvoller. Der ESM würde automatisch zum Miteigentümer, wenn er den Banken Kapital gibt. "Auf diese Weise könnte er die Sanierung der Institute am besten kontrollieren", sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. "Wenn man die Institute stabilisiert, können die Staaten ihre Wirtschaft und ihren Haushalt viel einfacher konsolidieren — die Gefahr einer Staatspleite würde verringert", sagte auch Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.
Im Gegensatz zu Merkel lehnte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Pläne für eine EU-Bankenunion ab. "Es ist richtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie Europa gezielt weiter entwickelt werden kann. Wenn die EU-Kommission jetzt aber neue Bankenrettungskonzepte vorschlägt, entsteht der Eindruck, als würde sie den beschlossenen Mechanismen nicht vertrauen", sagte Brüderle unserer Zeitung. Jeder Staat in Europa sei durch den ESM in der Lage, seine Finanzmärkte zu stabilisieren.
Unter Federführung des Wirtschaftsministeriums hat die Bundesregierung unterdessen Pläne für eine EU-Wachstumsstrategie fertiggestellt. Der EU-Rat solle "prüfen, wie die Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken verbessert und verbindlicher gestaltet werden kann", heißt es in dem Strategiepapier der Regierung mit dem Titel "Mehr Wachstum für Europa: Beschäftigung, Investitionen, Innovationen", das unserer Zeitung vorliegt. Der EU-Gipfel Ende Juni solle einen entsprechenden Bericht für den folgenden Gipfel im Dezember bei der Kommission anfordern.