Madrid Spanien feilscht um Milliarden von der EZB

Madrid · Spanien ringt um einen Ausweg aus der Schuldenkrise: Der Staat braucht Hilfe, will sich aber nicht wie Griechenland von den internationalen Geldgebern kontrollieren lassen. Erst wenn die Bedingungen eines Rettungsprogramms klar seien, werde Madrid eine Entscheidung treffen, sagte Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría gestern im spanischen Fernsehen. Es müsse genau abgewogen werden, was das Beste für die Gesamtheit der Spanier sei.

Das Beste aus Sicht der Spanier sieht so aus: Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft im großen Stil spanische Staatsanleihen, drückt so die Zinsen und erleichtert dem Land die Finanzierung am freien Kapitalmarkt. Das Problem: EZB-Chef Mario Draghi hat zwar den Startschuss für den Anleihe-Kauf gegeben, aber auf Druck der Bundesbank auch Bedingungen formuliert. Danach darf die EZB nur solchen Ländern helfen, die sich zuvor an ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds gebunden haben.

Zum Glück, so die Sicht der Spanier, bietet der Rettungsfonds (der laufende EFSF wie auch der kommende ESM) verschiedene Programme an. Neben voller Finanzierung gegen volles Spardiktat gibt es ein Hilfsprogramm light ("Enhanced Conditions Credit Line"). Danach räumt der Fonds einem Staat vorsorglich Kreditlinien für mögliche Engpässe ein, der Staat muss im Gegenzug nur die Absicht zum Sparen erklären. Genau auf diese Karte setzt Madrid. "Europa muss die Opfer anerkennen, die wir Spanier bringen", sagte Sáenz de Santamaría weiter. Ihre Regierung will das Defizit trotz Rezession binnen zwei Jahren auf 4,5 Prozent des Sozialprodukts halbieren. Ob das Rettungsfonds und EZB reicht, darum feilscht Spanien derzeit.

Auf den ersten Blick kennt dieser Weg nur Gewinner: Spanien bekommt Geld, ohne sich zum Pleitefall erklären zu müssen. Die EZB darf ihr Ankaufprogramm starten. Und Kanzlerin Merkel muss keine neue Euro-Mehrheit im Bundestag erkämpfen. Das wäre anders, wenn der Rettungsfonds Spanien komplett unter seine Fittiche nehmen würde. Denn volle Hilfe des Fonds müsste von den ihn tragenden Ländern einstimmig beschlossen werden, die deutsche Regierung müsste dazu den Bundestag fragen.

Letztlich aber ist der spanische Weg riskant und undemokratisch. Riskant, weil Spanien sich so um durchgreifende Reformen drückt, während Staaten wie Irland oder Portugal diesen harten Weg gehen. Undemokratisch, weil mit Hilfe der EZB der Bundestag umgangen wird. Genau um diese Frage dreht sich das laufende Euro-Verfahren des Verfassungsgerichts.

Riskant ist Madrids Feilscherei auch, weil die Märkte unruhig werden. Sie wollen, dass Spanien sich nach der Hilfe für die Bankenrettung auch rasch Hilfe zur Rettung seiner Pleite-Regionen holt. Für die Rettung der Banken, bei denen mittlerweile jeder zehnte Kredit faul ist, hat sich Spanien 100 Milliarden Euro gesichert. EU-Kommissar Joaquín Almunia mahnte seine Landsleute zur Eile. Sonst könnten die Spannungen am Anleihemarkt wachsen. Zwar gelang es Madrid gestern, sich Kredite über 4,6 Milliarden zu beschaffen. Doch die Nachfrage ließ bereits nach.

(RP)
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