Düsseldorf So viel verdienen die Konzern-Kontrolleure

Düsseldorf · Die Vergütung der Aufsichtsräte der Dax-Konzerne hat sich in zehn Jahren fast verdoppelt. Die Rolle eines Aufsichtsrates hat sich in dem Zeitraum aber ebenfalls gewandelt, das Risiko ist größer. Experten fordern Obergrenzen.

Die Bezahlung von Aufsichtsräten deutscher Kapitalgesellschaften ist in den Fokus von Anlegerschützern gerückt. Grund ist das Ergebnis einer Erhebung des Vergütungsexperten Heinz Evers für das "Handelsblatt", wonach die Bezüge der Dax-Aufsichtsräte innerhalb von zehn Jahren um fast 87 Prozent gestiegen sind. Im Jahr 2004 bekamen die Kontrolleure der mächtigsten Konzerne im Land ihre Tätigkeit mit insgesamt 41,9 Millionen Euro bezahlt, im vergangenen Jahr waren es 78,4 Millionen Euro. Die Bezüge von Vorständen sind in diesem Zeitraum um etwa 65 Prozent gewachsen, Löhne und Gehälter von Arbeitnehmern im Schnitt um 21,2 Prozent.

"Wenn ein Aufsichtsrat mehr verdient als der Bundesbank-Präsident oder die Bundeskanzlerin, dann sollte man sich das als Aktionär überlegen", sagte Evers im Gespräch mit unserer Zeitung. "Es sollte Obergrenzen geben. Ein Aufsichtsratsvorsitzender muss nicht mehr als eine halbe Million Euro verdienen. Das wäre vergleichbar mit einem Gehalt von über zehn Millionen Euro für einen Vorstand." Fünf Chef-Kontrolleure lagen im vergangenen Jahr über der 500 000- Euro-Grenze. VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch kam als Topverdiener unter den Aufsichtsräten auf knapp 1,2 Millionen Euro.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rief zum "Maßhalten" auf. "Alles über 500 000 Euro bei Aufsichtsratsvorsitzenden, da kommen wir in Regionen, die schwer vermittelbar sind, auch bei einem Dax-Tanker", sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der Linken, nannte die Vergütungen "unverfroren": "Das hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun. Es kann niemand im Ernst behaupten, dass ein Aufsichtsrat in einem Dax-Unternehmen 50-mal mehr leistet als eine Krankenschwester in Vollzeitarbeit." Über die Höhe der Bezüge entscheiden die Aufsichtsräte selbst, die Hauptversammlung muss sie aber genehmigen.

Die üppigen Zuwächse bei den Vergütungen kommen nicht von ungefähr. Denn ebenso hat sich das Anforderungsprofil eines Aufsichtsrats in Deutschland verändert. Ein Kontrolleur nickt Entscheidungen nicht mehr nur im Nachhinein ab, er hat präventive Pflichten. Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand ist wesentlich intensiver, der Aufseher muss ständig auf dem Laufenden sein und ist ein Mit-Entscheider.

Gleichzeitig ist das Haftungsrisiko gewachsen. Ein Aufsichtsrat verletzt seine Pflichten, wenn er einem nachteiligen Geschäft zustimmt, obwohl er es hätte besser wissen müssen. So wird er in Regress genommen, wenn doch etwas schiefgelaufen ist. "In immer mehr Fällen ist der Aufsichtsrat mittlerweile in der Mit-Haftung", sagt Michael Hendricks, Düsseldorfer Versicherungs-Makler und Experte für Berufshaftpflicht-Versicherung für Aufsichtsräte. "Derzeit laufen 6000 Managerhaftungen in Deutschland, und in schätzungsweise zehn Prozent davon sind die Aufsichtsräte mit involviert. Das ist ein klarer Trend." Der Markt für entsprechende Haftungsversicherungen, so genannte D&O-Versicherungen, ist gewachsen. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Stuttgart gegen VW-Kontrolleur und Porsche-Aufsichtsrat Piëch wegen "schwerwiegender Pflichtverletzung" im Zuge der Porsche-Übernahme durch VW ist das bekannteste Beispiel. Piëch hatte vor Journalisten auf Sardinien erklärt, er wisse nicht, wie hoch die Risiken seien - das wurde ihm zum Verhängnis. Die Folgen seiner Pflichtverletzung sind noch offen.

Der Arbeitsaufwand für Aufsichtsräte ist mit dem Risiko und der Verantwortung gestiegen. Evers geht davon aus, dass ein Dax-Aufsichtsrat etwa 25 bis 30 Tage im Jahr für Vorbereitung, Aktenstudium und Sitzungen aufbringt, ein Vorsitzender sogar das Dreifache: "Das ist heute eine völlig andere Aufgabe."

(RP)
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