Die Tricks des Handels So verleitet Musik in Geschäften die Kunden zum Geldausgeben

Düsseldorf · Ob im Supermarkt, im Möbelhaus oder im Klamottenladen: Hintergrundmusik ist heute eine Selbstverständlichkeit. Aber wie wirkt sich das auf das Verhalten der Kunden aus?

 Lautsprecher sind in einem Supermarkt der Einzelhandelskette Rewe in die Decke eingelassen (Symbol-/Archivbild).

Lautsprecher sind in einem Supermarkt der Einzelhandelskette Rewe in die Decke eingelassen (Symbol-/Archivbild).

Foto: dpa/Henning Kaiser

Für die einen ist sie unverzichtbarer Bestandteil einer guten Einkaufsatmosphäre, für die anderen ein akustisches Ärgernis. Doch beide Einschätzungen greifen zu kurz. Denn die Musik in den Läden soll in erster Linie eins: Dafür sorgen, dass Verbraucher mehr Geld ausgeben.

„Mit Musik kann man viel erreichen“, betont Monika Imschloß, Junior-Professorin für Marketing und Handel an der Universität Köln. Studien belegten, dass das Tempo der Musik in den Läden das Einkaufstempo beeinflusse. „Wenn man langsame Musik spielt, bleiben die Leute länger.“ Auch das Einkaufsverhalten selbst könne verändert werden. So habe eine andere Untersuchung gezeigt, dass französische Musik im Hintergrund den Verkauf von französischem Wein angekurbelt habe.

Kein Wunder, dass Hintergrundmusik für viele Händler ein großes Thema ist. Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe hat mit Radio Max sogar ein eigenes Supermarkt-Radio, das die Rewe- und Penny-Filialen, aber auch einige andere Händler mit seinen Programmen versorgt. „Das Einkaufen ist oft eine hektische Angelegenheit - nach der Arbeit müssen auf dem Weg nach Hause schnell noch ein paar Sachen besorgt werden. Da muss man den Kunden abholen und entschleunigen - eine Wohlfühlatmosphäre schaffen“, beschreibt Claudia Herbst, Programm-Direktorin bei Radio Max, die Herausforderung.

Doch bietet das Supermarktradio natürlich auch ein hervorragendes Werbeumfeld. In kurzen Werbespots könnten hier noch direkt vor dem Regal Kaufimpulse gegeben werden, erklärt Herbst. Dadurch seien Absatzsteigerungen von durchschnittlich 25 Prozent möglich.

Die Auswahl der Musik für die Supermarkt-Radios ist jedoch eine Kunst für sich. Wichtig sei es, Titel zu finden, die nicht polarisierten, betont Herbst. Volksmusik, Rap oder Heavy Metal seien da eher schwierig. Auch nervige, schrille Klänge kämen nicht in Frage.

Doch Radio Max ist nicht allein am Markt. Auch Wettbewerber wie Radio P.O.S., Mood Media, Ketchup Musik oder Echion beliefern Tausende von Läden in Deutschland mit speziell ausgewählter Musik - und versprechen den Händlern spürbare Effekte. Ketchup Music etwa verspricht auf seiner Website „Perfekte Hintergrundmusik für mehr Umsatz“ und ist überzeugt: „Der richtige Sound lässt die Kassen klingeln“.

Radio P.O.S., das nach eigenen Angaben unter anderem Edeka, Deichmann, Fressnapf und Obi zu seinen Kunden zählt, verspricht den Händlern, eine verbraucherorientierte Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. „Sie soll den Kauf-Impuls ebenso wie das Gefühl im Kunden steigern, zu sagen: Hier komme ich gerne wieder hin“, heißt es auf der Homepage des Anbieters.

Echion beliefert unter anderem die Textildiscounter Kik und Takko, aber auch Real und Ikea mit Hintergrundambiente. Programmchef Stephan Dewes setzt dabei gerne nicht nur auf Musik, sondern auch auf abgestimmte Videoeinspielungen oder eigens ausgewählte Düfte. „Wenn wir alles richtig gemacht haben, empfindet man die Atmosphäre als positiv, ohne dass man sagen kann, warum.“ Stille im Laden statt Dauerberieselung ist für ihn denn auch keine Alternative. „Das erzeugt eher Unruhe. Man fühlt sich dann mehr beobachtet“, meint Dewes.

Allerdings sehen das nicht alle so. Der Verein „LautsprecherAUS!“ etwa wehrt sich im Internet gegen „allgegenwärtige Musikberieselung“. Auf seiner Webseite klagt der gemeinnützige Verein: „Zwangsweise Beschallung geht auf die Nerven, vermindert die Konzentrationsfähigkeit, lässt den Blutdruck steigen und schadet letztlich unserer Gesundheit.“ Er fordert die „Anerkennung eines Rechts auf Ruhe im öffentlichen Raum“, zu dem er auch Geschäfte, Restaurants, Hotels und Arztpraxen zählt. Ob er sich damit durchsetzen kann, darf erst einmal bezweifelt werden.

Dass das Verkaufen auch heute noch ohne Musikberieselung ganz gut funktionieren kann, zeigen aber zwei der erfolgreichsten deutschen Lebensmittelhändler. Denn Aldi und Lidl setzen statt auf Hintergrundmusik noch immer auf ein wenig Ruhe.

(felt/dpa)
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