Matthias Zachert ist 100 Tage im Amt So tickt der neue Lanxess-Chef

Köln · Seit rund 100 Tagen ist Matthias Zachert Chef des Chemiekonzerns. Er muss den Dax-Riesen aus der schwersten Krise seiner Geschichte führen. Dabei hilft ihm, dass er trotz harter Sparmaßnahmen bei der Belegschaft beliebt ist.

 Matthias Zachert führt seit 100 Tagen den Chemiekonzern Lanxess.

Matthias Zachert führt seit 100 Tagen den Chemiekonzern Lanxess.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Die 21 Kilometer beim Leverkusener Halbmarathon schaffte Lanxess-Chef Matthias Zachert kürzlich in einer Stunde und 49 Minuten. Kein schlechter Wert für einen 46-Jährigen, der wenige Tage zuvor zum vierten Mal Vater geworden ist. 530 Lanxess-Läufer haben ihn begleitet. Das war die mit Abstand größte Einzelgruppe bei dem berüchtigten Lauf über den Sauerberg.

Die Episode erzählt viel über den Chef und sein Verhältnis zu den 17.000 Mitarbeitern von Lanxess. Zachert, der jüngst seinen 100. Arbeitstag an der Spitze des Dax-Konzerns hatte, ist ein Kämpfer. Er will den Chemie-Riesen mit aller Macht aus der Krise führen und hat sich dafür - ganz Marathon-Mann - eine Zeitvorgabe gesetzt: "Die Sanierung von Lanxess dauert zwei bis drei Jahre, dann sollten wir uns wieder um Wachstum kümmern", kündigt er an.

Und die Belegschaft läuft auf dem Kurs mit. Immer noch. Was verblüfft. Denn noch Anfang Mai - da war Zachert gerade mal fünf Wochen im Amt - drohte er seiner Mannschaft ein "Tal der Tränen" an. Lanxess habe "Speck angesetzt". Harte Sparmaßnahmen, ein vielleicht tausendfacher Stellenabbau und Teilverkäufe - bis heute will er keinen dieser Schrecken ausschließen. Aber selbst im Betriebsrat und bei der Gewerkschaft, die nach solchen Worten in der Regel mit den Säbeln rasseln, herrscht Ruhe. "Er ist trotzdem beliebt", sagt ein Arbeitnehmer-Funktionär.

Das ist erklärbar. Von 2004 bis 2011 hat Zachert schon einmal für Lanxess gearbeitet - damals als Finanzvorstand unter Axel Heitmann. Der formte in dieser Zeit aus verstoßenen Bayer-Restgeschäften den strahlenden Chemiekonzern Lanxess. Einen Liebling der Börse, der mit Rohmaterialien für Autoreifen und anderen Spezialchemikalien einen Ergebnisrekord nach dem anderen einfuhr. Heitmanns Problem: Mit seinen einstudierten Reden, bleckendem Lächeln und chronisch zur Schau gestellter Euphorie wirkte der promovierte Chemiker immer so, als wolle er sein eigenes Werk noch ein kleines bisschen überstrahlen. Am Ende fand er vor lauter Gasgeben die Bremse nicht mehr und baute noch riesige Anlagen in Asien, für die der Weltmarkt längst keinen Bedarf mehr hatte.

Dem bodenständigen Kaufmann Zachert ("Ich komme aus einer bürgerlichen Familie"), der noch heute öffentlich kein schlechtes Wort über Heitmann verliert, war das suspekt. Er wechselte zum Pharmariesen Merck. Aber ohne sich je gegen Heitmann positioniert zu haben, war er damals intern so etwas wie das Gesicht der Heitmann-Opposition - und die wurde im Laufe der Jahre immer größer. Als Zachert im April zu Lanxess zurückgeholt wurde, unternahm er als Erstes einen Streifzug durch sämtliche Büros im Kölner Lanxess-Tower. Er begrüßte Hunderte mit Handschlag und Namen - und wusste sogar noch, was deren Kinder studieren. So machen Manager Punkte.

Menschlich wirkt Zachert wie der Anti-Heitmann. Seine Sätze sind ungeschliffen, manche verunglücken auch. Aber bei ihm wirkt das nicht ungelenk, sondern authentisch: Inhalt statt Show. Er führt als einziger im vierköpfigen Lanxess-Vorstand keinen Doktor-Titel.

Nach dem Abitur hat Zachert zunächst eine Lehre gemacht und studierte erst danach ein paar Wochen Jura - wohl mehr auf Wunsch seines Vaters Hans-Ludwig, der später Chef des Bundeskriminalamtes wurde. Abgeschlossen hat Zachert dann aber ein Studium als Diplom-Kaufmann. Im kleinen Kreis erzählt er schon mal, wie er zum Joggen kam - und zum Kämpfen. Vor 32 Jahren, als seine kleine Schwester an Krebs erkrankte. Um nicht zu verzweifeln, lief Zachert 40 Runden um die Tartanbahn. Daraus wurde eine Gewohnheit, mit der er bis heute Stress abbaut.

Was auch immer er den Lanxess-Mitarbeitern zumuten muss. Matthias Zachert hat den Wert von einzelnen Schicksalen früh erkannt. Gut möglich, dass er in der obersten Börsenliga der deutschen Wirtschaft der emotionalste Zahlenmensch ist.

(RP)
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