Wirtschaftspolitischer Jahresausblick auf 2023 Zinspolitik als große Herausforderung

Düsseldorf · Die Hans-Böckler-Stiftung sieht im Handeln der EZB wirtschaftlich den größten Risikofaktor für 2023. Ansonsten blickt sie aber recht positiv auf das neue Jahr und lobt sogar das Vorgehen der Bundesregierung.

Die Europäische Zentralbank in Frankfurt.

Die Europäische Zentralbank in Frankfurt.

Foto: dpa/Boris Roessler

Die Hans-Böckler-Stiftung blickt recht positiv auf das wirtschaftspolitische Jahr 2023: Deutschland sei in einer relativ guten Ausgangsposition, die Bundesregierung habe bereits den akuten Druck auf Einkommen und Wachstum durch stark steigende Preise reduziert. Und bei den langfristigen Qualifizierungen seien auch durch das Bürgergeld erste Fortschritte erkennbar. Nun müssten die Regierenden eine überzeugende Antwort auf die Industriepolitik der USA geben, das Tarifsystem stärken und erneuerbare Energie schneller ausbauen, heißt es in der Mitteilung zur neuen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung in Düsseldorf.

Die wirtschaftlichen Schocks, die der russische Überfall auf die Ukraine ausgelöst habe, seien auch in Deutschland hart und schmerzhaft gewesen, und noch längst nicht vorbei, erklärte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK. Doch aus dem Jahr 2022 habe man auch eine positive Botschaft mitnehmen können: „Das Zusammenspiel von staatlichen, tariflichen und betrieblichen Maßnahmen hat einen härteren Wirtschaftseinbruch abgewendet. Das ist ein weiterer Erfolg des sozialpartnerschaftlichen Modells in Deutschland“, so Dullien. Für das neue Jahr rechnet das IMK damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent schrumpft. Das ist deutlich weniger, als im Sommer 2022 erwartet worden war. Da gingen die Wissenschaftler noch von einem Rückgang von einem Prozent aus.

Die Energiepreisbremsen, die Verlängerung der erleichterten Kurzarbeit und die gesetzliche Regelung, Tarifverträge leichter als allgemein verbindlich erklären zu können, sieht die Stiftung als entscheidende Meilensteine. Die Lohnpolitik könne den „schwierigen Spagat“, die Einkommen zu stabilisieren ohne die Inflation weiter voranzutreiben, so wohl weiter bewältigen. 

Einen großen Risikofaktor sieht das IMK jedoch in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Dullien mahnte, eine Geldpolitik, die die Zügel zu straff anziehe, könne die Erfolge des bisherigen Krisenmanagements infrage stellen. Die EZB sei ohnehin gegen die steigenden Energiepreise machtlos und das sei nun einmal der Hauptgrund für die Inflation. Solange diese sich nicht durch Preis-Lohn-Spiralen verfestige, gebe es keinen Grund, die Zinsen immer weiter zu erhöhen: Niemand habe etwas davon, wenn „durch zinspolitischen Aktionismus die Konjunktur noch stärker ausgebremst“ würde und die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt verloren gehe.

 Ein Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp  in Duisburg.

Ein Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp in Duisburg.

Foto: dpa / Roland Weihrauch

Der Ökonomen des IMK machten auch selbst Vorschläge für eine Verbesserung der Situation: Bei Bedarf sollten stark bedürftige Haushalte konzentriert weitere Entlastungen erhalten, was sich beispielsweise mit einem kurzfristigen Energiesolidaritätszuschlag für Haushalte mit höherem Einkommen oder einem höheren Spitzensteuersatz umsetzen ließe. Außerdem sollten die Energiepreisbremsen aus ihrer Sicht Obergrenzen für wohlhabende Haushalte mit hohem Verbrauch umfassen.

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