Experten fordern So muss NRW auf den digitalen Wandel reagieren
Thorsten Dirks, Chef von Telefónica Deutschland und Präsident des IT-Verbands Bitkom, sagt:
Für NRW ist die Digitalisierung eine zentrale Herausforderung, auch weil in der Breitbandversorgung nach wie vor ein Gefälle zwischen Landesteilen existiert. Doch es geht auch um mehr. Egal ob in der Bildung, bei der Arbeit, dem Daten- oder Verbraucherschutz: Wir brauchen einen Ordnungsrahmen, der uns die Chancen der Digitalisierung bestmöglich ergreifen lässt. Es ist deshalb Ziel des Bitkom, die digitale Teilhabe konsequent auszubauen. Hier sind alle gefordert: Wirtschaft, Politik, Regulierer und jeder Einzelne von uns. Wir Telekommunikationsanbieter müssen im Wettbewerb als Vorreiter agieren. Durch exzellente Breitbandnetze und intelligente Infrastrukturen schaffen wir die Voraussetzungen für die Digitalisierung. Gerade in ländlichen Regionen wird aber auch der Staat helfen müssen, ohne den Wettbewerb in Gänze zu verzerren.
Claudia Nemat, Vorstand bei der Deutschen Telekom, sagt:
NRW ist ein aktiver Treiber des digitalen Wandels, kann ihn mitgestalten. Die Chancen der IT- und Digitalwirtschaft sollten wir aber auch mit voller Kraft nutzen. Es gilt Breitband-Infrastruktur weiter auszubauen, Prozesse in allen Unternehmen aus allen Branchen entschlossen zu digitalisieren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dazu muss die digitale Kompetenz in Unternehmen und Politik gestärkt werden. Die Basis ist Bildung: Fähigkeiten wie Daten zu analysieren und Computer programmieren zu können sind entscheidend. Das heißt, wir müssen insbesondere die MINT-Fächer, also Naturwissenschaften, Informatik und Mathematik, viel stärker fördern. Warum nicht als zweite Fremdsprache eine Programmiersprache? Und wichtig: Digitalisierung ist nicht allein Männersache, weder in Schulen, Unis noch Unternehmen.
Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, sagt:
Die digitale Transformation wird von den Unternehmen unseres Landes bewältigt. Dies ist ureigenste unternehmerische Aufgabe. Die Politik muss aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit die unternehmerischen Impulse Wirkung entfalten und die großen Chancen der Digitalisierung realisiert werden können. Hierzu gehört vor allem ein schnelles Internet dort, wo die Unternehmen dies brauchen. Dazu gehören weiter Standards zur IT-Sicherheit, die Schutz bieten und gleichzeitig der Unternehmensrealität gerecht werden. Und dazu gehört schließlich, Investitionsanreize so zu setzen, dass die digitale Transformation in der Unternehmenslandschaft gefördert wird.
Nina Blasberg, Gründerin des Fashion-Start-ups Onbelle, sagt:
Gründungen funktionieren im Silicon Valley in den USA so gut, weil es dort ein Netzwerk aus einer exzellenten Universität wie Stanford, Risikokapitalgebern und Unternehmen gibt. Es gibt einen engen Austausch zwischen jungen und erfahrenen Gründern. Das müssen wir auch in NRW hinbekommen. Die Voraussetzungen sind dafür ja da: Es gibt viele Gründer, Großstädte wie Düsseldorf, Köln oder Essen sind gut zu erreichen und mit den Unis in Aachen oder Köln gibt es Hochschulen mit sehr gutem technischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zweig. Das alles muss besser zusammengebracht werden. Ich finde es daher gut, dass die Politik versucht, eine Plattform zu schaffen. Wir sollten aber auch im Bildungsbereich ansetzen - zum Beispiel durch mehr Informatikunterricht.
Markus Klimmer, Unternehmensberater bei Accenture, sagt:
Industrie 4.0 braucht auch Verwaltung 4.0 - doch da sind wir weit von entfernt. Beim Thema E-Government liegt Deutschland europaweit im Mittelfeld und NRW tut wenig, damit sich das ändert. Wenn NRW die Digitalisierung fördern will, sollte es auch bei der Verwaltung ansetzen. Österreich hat vorgemacht, wie man innerhalb von drei Jahren aus dem Mittelfeld in die Spitzengruppe aufsteigen kann. Dort hat der Regierungschef das Thema zur Chefsache gemacht. Das sollte NRW auch tun. Die Ministerpräsidentin sollte einen Chief Information Officer einsetzen, der Budget bekommt, Standards setzen und durchgreifen kann. Die Leute wollen mit der Verwaltung per Smartphone kommunizieren. So ein Projekt könnte das Land mit den großen NRW-Unternehmen wie der Telekom oder der Post sehr gut angehen.