Regional große Unterschiede So hoch sind die Abwassergebühren

Düsseldorf · Wer Wasser für die Toilettenspülung benutzt, weiß, dass es wieder geklärt werden muss. Dafür zahlen wir Abwassergebühren. Wie hoch die 2019 gewesen sind und warum die Kosten vielerorts künftig gesenkt werden müssen.

 Immer wenn frisches Wasser benutzt wird, muss es auch zurück und wieder aufbereitet werden. Aber das hat seinen Preis.

Immer wenn frisches Wasser benutzt wird, muss es auch zurück und wieder aufbereitet werden. Aber das hat seinen Preis.

Foto: dpa/Jens Büttner

Mehrere Hundert Euro bezahlt jeder Haushalt in Nordrhein-Westfalen jährlich für die Beseitigung von Abwasser. In einigen Kommunen mit das deutlich teurer als in anderen, wie neue Zahlen des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2019 zeigen. Am wenigsten zahlten Haushalte in der Gemeinde Reken im Kreis Borken (Münsterland) mit 1,07 Euro pro Kubikmeter Abwasser. Hier veränderten sich die Gebühren 2019 im Vergleich zu 2017 nicht. Im Rheinland zahlten die Düsseldorfer mit 1,52 Euro die niedrigsten Beiträge. Auch hier blieben die Kosten im Vergleich zu 2017 unverändert. Im Durchschnitt lagen die Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen bei 2,71 Euro.

Das höchste Entgelt zahlten währenddessen Haushalte in der Gemeinde Much im Rhein-Sieg-Kreis bei Bonn: 5,55 Euro pro Kubikmeter. Also mehr als doppelt so viel wie im NRW-Durchschnitt. Im Vergleich zu 2017 stiegen die Kosten dort 2019 zusätzlich um sieben Prozent.

Im Rheinland sind die Preise vor drei Jahren am höchsten in der Gemeinde Wegberg gewesen, die zum Kreis Heinsberg gehört. Hier lagen sie bei 4,41 Euro – ähnlich hoch wie in Rheinberg (4,10 Euro) und Alpen (4,20 Euro) im Kreis Wesel.

Die Werte seien „statistisch nicht falsch“, meint Markus Berkenkopf, Experte für Kommunalhaushalte beim Bund der Steuerzahler NRW. Allerdings würden Informationen fehlen. Der Datensatz „enthält keine Grundgebühren und keine Regenwassergebührensätze“, erläutert er und betont: „Eine Vergleichbarkeit der Städte und Gemeinden ist deshalb stark eingeschränkt.“ Denn wenn Kommunen, in denen die Bürger vergleichsweise geringere Abwasserpreise pro Kubikmeter zahlen müssten, gleichzeitig eine Grundgebühr erhöben, müssten diese Haushalte, sei es für diese Haushalte nicht unbedingt billiger. Erst die Grundgebühr ermögliche ihnen den Zugang zur Kanalisation und frischem Wasser, so Berkenkopf.

Warum die Abwassergebühren in manchen Regionen höher ausfallen als in anderen, könne aber auch am Standort liegen, sagt der Kommunalhaushalts-Experte: „In größeren Städten habe ich eher Produktivitätsvorteile aufgrund vieler Kanalanschlüsse in einem Straßenzug als in ländlichen Regionen mit langen Kanalnetzen und wenigen Nutzern.“ Zudem muss das Wasser in manchen Regionen hochgepumpt und nachher abgebremst werden, weil es mit viel Druck ankommt – so zum Beispiel im Bergischen Land.

In Kürten (Rheinisch-Bergischer Kreis) lagen die Preise pro Kubikmeter Abwasser bei 4,40 Euro – der zweithöchste Betrag, den Haushalte vor drei Jahren entrichten mussten.

Dass die Abwassergebühren mitunter zu hoch gewesen und jahrelang auf falscher Grundlage berechnet worden seien, entschied Mitte Mai das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in einem Musterprozess. Geklagt hatte ein Grundstücksbesitzer in der Stadt Oer-Erkenschwick. Er hatte sich gegen einen Abwasserbescheid aus dem Jahr 2017 über knapp 600 Euro gewehrt. Der war letztlich rechtswidrig und um 18 Prozent zu hoch ausgefallen, wie das OVG urteilte. Die Richter kritisierten, dass die Stadt bei den Gebührenbescheiden die Abschreibungen und Zinsen so berechnet habe, dass diese die tatsächlichen Kosten für die Anlage wie die Abwasserrohre am Ende überschritten haben. „Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Erfüllung der Aufgaben der Abwasserbeseitigung erforderlich sind“, erklärte das OVG seinerzeit und bezog sich auf die NRW-Gemeindeordnung. Das hat auch der Bund der Steuerzahler NRW immer wieder kritisiert und deshalb den Musterprozess unterstützt, wie Berkenkopf bestätigt.

Beim Zinssatz, mit dem gerechnet wurde, ging die Stadt Oer-Erkenschwick wie auch andere Kommunen in NRW vom Durchschnitt der Abwassergebühren aus den vergangenen 50 Jahren aus und setzte noch einen Zins-Aufschlag drauf. Das OVG dagegen sieht nur einen Zeitraum von zehn Jahren als begründbar an. Und so kamen die Richter im Mai nicht auf einen Zinssatz von 6,52 Prozent wie die Stadt, sondern nur noch auf 2,42 Prozent.

Hausbesitzer und Mieter dürfen nach dem Urteil in den nächsten Jahren damit rechnen, dass ihre Gebührenbescheide oder Nebenkostenabrechnungen niedriger ausfallen, weil die Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Berechnungen neu aufstellen müssen. „Bürger, deren aktueller Abwassergebührenbescheid noch nicht rechtskräftig ist, werden von der Entscheidung für das Jahr 2022 profitieren“, heißt es auf der Website des Bundes der Steuerzahler NRW.

In den städtischen Haushalten werden demnach Gebühren in Millionenhöhe fehlen. Diskussionen, in denen es jetzt um eine Erhöhung der Grundsteuer geht, um den Haushaltsplan auszugleichen, weist Berkenkopf zurück. Die Kommunen, die falsch gerechnet hätten, hätten sich falsch verhalten und über den Bedarf geplant. „Nach Steuererhöhungen zu rufen, ist dann eine reine Schutzbehauptung, um vom Thema abzulenken“, betont er.

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