München/Düsseldorf Siemens kappt 3300 Jobs in Deutschland

München/Düsseldorf · In Nordrhein-Westfalen fallen 300 Stellen weg, vor allem in Duisburg und Mülheim. Betroffen sind in erster Linie Verwaltungsmitarbeiter. Kündigungen sind ausgeschlossen, dennoch kritisiert die IG Metall die Beschlüsse.

Als Joe Kaeser im Sommer 2013 überraschend zum Siemens-Chef gekürt wurde, war er der Liebling der Mitarbeiter. Der Niederbayer sprach ihre Sprache und wusste, anders als sein Vorgänger Peter Löscher, wie der Konzern tickt. Nun ist es mit der großen Liebe vorbei. Gestern teilte der 57-Jährige den Mitarbeitern die Details des neuen Sparprogramm mit. Danach will Siemens in den nächsten Jahren weltweit 7800 seiner 340 000 Stellen streichen. Allein in Deutschland sollen 3300 Stellen gekappt werden. Davon entfallen 300 Stellen auf Nordrhein-Westfalen, wie es in Konzernkreisen heißt. Der Abbau hier soll im Wesentlichen im Generatoren-Werk in Mülheim/Ruhr und im Kompressoren-Werk in Duisburg erfolgen. Dort will man sich - wie im gesamten Konzern - vorrangig von Verwaltungsmitarbeitern trennen, nicht aber von Beschäftigten in der Produktion.

In Nordrhein-Westfalen beschäftigt der Münchener Konzern 20 000 Mitarbeiter an 40 Standorten und ist damit ein Schwergewicht im Land. Das Krefelder Werk, in dem Regional- und Hochgeschwindigkeitszüge gefertigt werden, ist von dem Kahlschlag nicht betroffen. Krefeld hatte schon in vorangegangenen Sparrunden "bluten" müssen. Zudem freut man sich hier weiter über den sieben Milliarden Euro schweren Auftrag zum Bau des Zuges ICX. Das ist der größte Auftrag in der Siemens-Geschichte, der Krefeldern noch bis 2030 Arbeit geben wird, wie es in Konzernkreisen weiter heißt. Auch in Düsseldorf, wo Siemens mit Service- und Vertriebs-Einheiten sitzt, sollen keine Stellen wegfallen.

Der Konzern will den Stellenabbau sozialverträglich lösen, etwa durch Versetzungen, Vorruhestandsregelungen und Abfindungen. Betriebsbedingte Kündigungen sind ohnehin durch den "Radolfzell II" genannten Beschäftigungspakt ausgeschlossen. Dennoch kritisierte die IG Metall Kaesers Plan als einfallsloses Sparprogramm: "Siemens muss Beschäftigung in Deutschland durch Innovationen sichern, statt sich darauf zu reduzieren, nur Personal abzubauen oder Unternehmensteile zu verkaufen und zu kaufen", sagte Knut Giesler, Chef der Gewerkschaft in NRW.

Auch die Anleger reagierten skeptisch: Das Schwergewicht im Dax gab in einem schwachen Markt zeitweise um 1,2 Prozent nach.

In einem Mitarbeiter-Brief verteidigt Kaeser seine Pläne. "Wir machen Ernst damit, Siemens einfacher und schneller zu machen. Wir haben stets betont, dass die von so Vielen im Unternehmen beklagte Bürokratie Gesichter hat und der Abbau dieser Bürokratie auch Aufgaben überflüssig machen kann", schreibt er an die "lieben Kollegen". Zugleich verspricht er, die eingesparten Gelder zu investieren: "In Summe können damit die Kosten um rund eine Milliarde Euro gesenkt werden. Was wir bei Bürokratie und Verwaltung sparen, investieren wir konsequent in die Zukunft unseres Unternehmens."

Kaeser hatte den Umbau im Mai 2014 gestartet. Er senkt die Zahl der Divisionen von 16 auf neun, verselbständigt die Medizintechnik und verkauft Randaktivitäten wie den Hausgerätehersteller BSH. Statt alles anzubieten, will sich Siemens nun auf Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung konzentrieren. Zugleich will Siemens sich, wie Kaeser in dem Mitarbeiter-Brief deutlich schreibt, wieder mehr mit den Kunden als mit sich selbst beschäftigen. Das scheint dringend nötig: Unter Löscher hatten Lieferverzögerungen bei Zügen und Anschluss-Problemen bei Windparks für Ärger gesorgt.

Ob unter Kaeser alles besser wird, bleibt abzuwarten. Sein Milliarden-Zukauf, der Ölindustrie-Zulieferer Dresser Rand, gilt in Zeiten fallender Ölpreise als neues Problem. Das wichtige Geschäft mit Kraftwerks-Turbinen leidet an der Energiewende. Im ersten Quartal war der Siemens-Gewinn eingebrochen. Kaeser ist den Beweis noch schuldig, dass er es besser kann als Löscher.

(RP)
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