Düsseldorf Seine Ermordung wühlte das Land auf

Düsseldorf · Der Ex-Präsident von BDI und BDA, Hanns Martin Schleyer, war harter Hund und Mann mit Sinn für Sozialpartnerschaft zugleich. Er wurde 1977 von RAF-Terroristen gekidnappt und hingerichtet. Morgen wäre er 100 Jahre alt geworden.

Morgen vor 100 Jahren wurde im badischen Offenburg Hanns Martin Schleyer geboren. Am Morgen des 19. Oktober vor 38 Jahren fand man im elsässischen Mulhouse (Mülhausen) Schleyers Leiche im Kofferraum eines Audi 100, hingerichtet mit drei Revolverschüssen in den Hinterkopf. Der Ermordete, der im Todesjahr 1977 die Präsidenten-Ämter bei den Deutschen Arbeitgeberverbänden (BDA) und beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bekleidet hatte, war vor seinem gewaltsamen Tod rund sechs, den Bonner Staat aufwühlenden Wochen in der Gewalt des Entführungskommandos "Siegfried Hauser" der Rote Armee Fraktion. Unter dem berüchtigten Schreckenskürzel RAF hatten die aus dem Untergrund operierenden Linksideologen seit den 70er Jahren bis in die 90er Jahre hinein eine Blutspur durchs Land gezogen.

Schleyer war nicht das erste, auch nicht das letzte, jedoch das prominenteste Opfer der RAF. Hoch schlugen bei einer Mehrheit der Deutschen die Wellen des Entsetzens, auch des Mitleids mit dem am 5. September 1977 in Köln verschleppten ersten Repräsentanten der deutschen Wirtschaft. Die Tatumstände zeugten von außergewöhnlicher Grausamkeit. Bevor die vier Gangster Schleyer verschleppten, erschossen sie dessen Fahrer sowie drei Polizisten. Hinzu kam wenig später ein Bild der Demütigung, das sich ins nationale Gedächtnis eingebrannt hat: Um ihrer versuchten Staatsnötigung zur Freilassung inhaftierter RAF-Krimineller Nachdruck zu verleihen, hatten die Kidnapper ein Video veröffentlicht. Es zeigte den erniedrigten, die Bundesregierung von Kanzler Helmut Schmidt um Nachgeben anflehenden Gefangenen im Unterhemd. Schleyer wirkte sicht- und hörbar zermürbt und voller Verzweiflung über die harte Haltung der Bonner Verantwortlichen.

Wie wir wissen, widerstand die Bundesregierung der versuchten Staatsnötigung selbst in dem Moment, als palästinensische Terroristen am 13. Oktober 1977 den mit 92 Menschen besetzten Lufthansa-Jet "Landshut" kaperten und so den Druck auf den Krisenstab im Kanzleramt extrem erhöhten. Am 18. Oktober wurde die Maschine auf dem Flugfeld in Mogadischu (Somalia) von der deutschen Sondereinheit GSG 9 gestürmt. Die vier Luftpiraten wurden unschädlich gemacht, sämtliche Geiseln in der Maschine befreit. Auch dieses deutsche Heldenstück von Mogadischu ging in die jüngere Geschichte ein.

Für den gefangen gehaltenen Schleyer bedeutete es jedoch - die Bundesregierung war sich dessen bewusst - den sicheren Tod. Am Morgen nach der Geiselbefreiung meldete sich eine Frauenstimme im Stuttgarter Büro der Deutschen Presse-Agentur mit dieser abscheulichen Botschaft: "Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet."

Woher kam diese Ideologen-Wut bis in den Tod auf einen wie Hanns Martin Schleyer, nach dem heute Straßen, Sporthallen und eine Stiftung benannt sind? Für den höchsten Wirtschafts-Verbandsfunktionär vom Jahrgang 1915 galt Friedrich Schillers Satz über Wallenstein: "Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte." Als junger Mann und schneidiger Heidelberger Jura-Studiosus mit Corps-Studenten-Schmiss im Gesicht und Antisemitismus auf den Lippen begeisterte er sich für die NS-Ideologie. Er trat der Hitler-Partei bei und diente in der SS als Untersturmführer. Die Nachkriegs-Entnazifizierung sortierte ihn schließlich unter "Mitläufer".

Früh stieg der bullige, gesellige, trinkfeste Schleyer, der Bier, Genever, Underberg und deutsche Küche schätzte, bei Daimler in der Hierarchie auf - bis in den Vorstand. Ab den 60ern zeigte sich immer wieder Schleyers Arbeitgeber-Doppelnatur als einerseits harter Hund in Tarifverhandlungen (Er ließ aussperren) und als andererseits großer Verfechter der bundesrepublikanischen Sozialpartnerschaft. Der Mann, der sich vom jungen Nazi zum konservativen Demokraten mit CDU-Parteibuch gewandelt hatte, war knallhart, und er hatte doch auch ein großes Herz mit der Sonderbegabung für Kommunikation und die Pflege von Freundschaften weit über den Kreis der sogenannten Wirtschaftselite hinaus.

(RP)
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