Brüssel Schuldenerlass für Athen wird vertagt

Brüssel · Die Finanzminister wollen Griechenland mehr Zeit und Geld geben. Schäuble verhindert aber den Schuldenschnitt.

Griechenland soll ohne Forderungsverzicht der öffentlichen Gläubiger vor der Pleite bewahrt werden – jedenfalls vorerst . Die Euro-Staaten beharrten gestern beim entscheidenden Krisentreffen auf einem Rettungspaket, das ohne den vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Schuldenerlass auskommt. Letzterer würde Milliarden-Verluste auch für die deutschen Steuerzahler mit sich bringen. Überdies müsste der Bundesfinanzminister seine Etatziele über Bord werfen.

Kein Wunder, dass Wolfgang Schäuble gestern erneut jeglichen Forderungsverzicht mit Verweis auf juristische Zwänge ablehnte. Man könne nicht für weitere Hilfskredite garantieren, wenn gleichzeitig ein Schuldenschnitt vorgenommen werde: "Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern in allen Ländern der Euro-Zone." Die Bundesregierung fürchtet bei einem Schuldenschnitt Klagen beim Bundesverfassungsgericht – unter anderem wegen Verstoßes gegen das Schuldenübernahmeverbot im EU-Vertrag. Auch die EZB als größter Gläubiger sei nicht zum Schuldenschnitt bereit, so Schäuble. Würden öffentliche Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten, könnte der griechische Schuldenberg von rund 340 Milliarden um 100 Milliarden Euro sinken.

Die Euro-Finanzminister und der IWF wollten beim zweiten Sondertreffen binnen einer Woche ein Finanzloch von 14 Milliarden Euro bis 2014 im Griechenland-Rettungsplan schließen und neue Zahlungen aus dem laufenden Hilfsprogramm von mindestens 31 Milliarden Euro auf den Weg bringen. Die Zeit drängt, da Athen im Dezember dringend neue Kredite braucht, um nicht in die Pleite zu rutschen.

Die Finanzierungslücke entsteht dadurch, dass Athen aufgrund erster Reformerfolge zwei Jahre länger Zeit bekommt, die Defizitvorgaben der internationalen Geldgeber zu erfüllen. Sie soll nun durch einen Mix von Maßnahmen geschlossen werden: dazu dürfte eine Senkung der Zinsen für bereits überwiesene Kredite gehören. Deutschland beharrt überdies auf einem Schuldenrückkauf. Das zweite Rettungspaket für Athen von 130 Milliarden Euro soll dafür nach Berliner Vorstellungen faktisch um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden. Private Gläubiger halten noch griechische Anleihen im Volumen von rund 67 Milliarden Euro. Die Kurse für diese Titel liegen derzeit weit unter ihrem Nennwert. Im Gespräch ist ein Rückkaufsangebot von 25 Prozent des Nominalwerts der Anleihen. "Mit jeder eingesetzten Milliarde könnten wir so die Schulden um vier Milliarden Euro reduzieren", so CSU-Finanzexperte Hans Michelbach. Dazu wird über längere Laufzeiten für Hilfskredite und Athener Kurzzeitanleihen diskutiert.

Das Problem: Mit einem Mix aus diesen Maßnahmen lässt sich das 14-Milliarden-Euro-Finanzloch im Rettungsplan bis 2014 vielleicht schließen, und die Bundesregierung käme ohne neue Hiobsbotschaften aus Griechenland durchs Wahljahr. Doch was kommt danach? IWF-Chefin Christine Lagarde mahnte gestern eine "glaubwürdige Lösung" an. Sie verlangt ein umfassendes Paket, damit Griechenland seine Schulden bis 2020 auf ein tragbares Niveau von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken und auf eigenen Beinen stehen kann. Für Lagarde ist das ohne die Radikal-Lösung eines Schuldenschnitts nicht erreichbar. Nach Berechnungen der Troika-Prüfer von EU, EZB und IWF kann Griechenland 2020 im besten Fall bei 144 Prozent landen.

Langfristig ist das Thema Schuldenschnitt also nicht vom Tisch. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter schloss denn auch gestern einen Forderungsverzicht nur "derzeit" aus – nicht in ein paar Jahren. "Es wird zwischen 2014 und 2016 ein Monitoring unseres Weges geben", erklärte sie. "Wie das dann weitergeht, werden die Ergebnisse dieses Monitorings bringen." Soll heißen: Ist Griechenland einem tragbaren Schuldenniveau in vier Jahren noch immer nicht nähergekommen, wird ein Forderungsverzicht wieder auf den Tisch kommen.

(RP)
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