Kreditfinanzierte Rücklage Top-Ökonomen zeigen Ausweg aus Schuldenbremsen-Dilemma

Exklusiv | Berlin · Die Spitzenökonomen Marcel Fratzscher und Clemens Fuest haben ihre Vorschläge zur Kreditfinanzierung von Zukunftsinvestitionen in der kommenden Legislaturperiode präzisiert: Beide sind für die Bildung einer milliardenschweren, kreditfinanzierten Rücklage 2022, Fratzscher spricht von 500 Milliarden Euro. Für die Ampel-Sondierer könnte das die Marschroute werden.

 Der Staat soll sich laut DIW-CHef Marcel Fratzscher 2022 rund 500 Milliarden Euro zusätzlich leihen, um das Geld in den kommenden Jahren in Zukunftsinvestitionen stecken zu können.

Der Staat soll sich laut DIW-CHef Marcel Fratzscher 2022 rund 500 Milliarden Euro zusätzlich leihen, um das Geld in den kommenden Jahren in Zukunftsinvestitionen stecken zu können.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Münchner Ifo-Instituts fordern eine einmalige hohe Kreditaufnahme im Jahr 2022, aus der eine Rücklage für Investitionen vor allem in den Klimaschutz gebildet werden soll. Ifo-Chef Fuest formuliert allerdings drei strenge Bedingungen, an die die Parteien die Rücklage unbedingt knüpfen sollten.

Für SPD, Grüne und FDP, die an diesem Freitag ihre Sondierungsgespräche fortsetzen wollen, könnten die Vorschläge wegweisend sein, da die Parteien die Investitionen massiv ausweiten wollen, deren Finanzierung wegen der Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023 bisher aber infrage steht.

„Die neue Bundesregierung sollte als oberste Priorität ein Programm für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Erneuerung beschließen“, sagte Fratzscher unserer Redaktion. „Eine neue Bundesregierung kann sehr wohl stärkere Zukunftsinvestitionen mit der Schuldenbremse vereinbar machen. Sie sollte 2022 Rücklagen von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre für Zukunftsinvestitionen bilden“, sagte Fratzscher. „Wenn es der neuen Bundesregierung nicht gelingt, die wirtschaftliche Transformation erfolgreich zu gestalten, dann droht der deutschen Wirtschaft ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und vieler guter Arbeitsplätze“, warnte der DIW-Chef. Ein Programm für Zukunftsinvestitionen würde zwar kurzfristig die Staatsverschuldung erhöhen, langfristig jedoch helfen, die Schulden besser abbauen zu können. „Jede Unternehmerin und jeder Hauseigentümer weiß, dass die richtige langfristige Entscheidung manchmal auch kurzfristig mehr Schulden verlangt.“

Ifo-Chef Fuest unterstrich die Bedeutung der Schuldenbremse, die unangetastet bleiben müsse. Der Klimachutz erfordere aber massive zusätzliche Investitionen auch des Staates. Er plädierte daher für die einmalige Einrichtung einer kreditfinanzierten Rücklage. Um zu verhindern, dass diese zu Konsum- oder Transferausgaben genutzt werde, „sollte man den Fonds erst errichten, wenn drei Bedingungen erfüllt wurden“, sagte Fuest. „Es wird erstens konkretisiert, welche Instrumente für die Förderung privater Investitionen wann und in welchem Umfang und welche öffentlichen Investitionen finanziert werden sollen, inklusive Zeitplan unter Berücksichtigung von Genehmigungsverfahren“, sagte der Ifo-Präsident. Zweitens müsse „sichergestellt und in einem Gutachten des Rechnungshofs überprüft werden, dass es sich um zusätzliche Investitionen handelt, nicht um eine Verlagerung bestehender Investitionen, um Platz für mehr Konsum oder Transfers im Kernhaushalt zu schaffen“, so Fuest. „Drittens muss eine Überprüfung bestehender Ausgaben im Bundeshaushalt mit einem vorgegebenen Einsparungsziel erfolgen, damit nicht alle zusätzlichen Ausgaben durch Kredite finanziert werden. Bestehende Ausgaben, die man jetzt nicht streichen will oder kann, könnten für die kommenden Jahre eingefroren werden.“

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