Interview mit Landesschlichter Pollmeyer "Schlichtung an NRW-Flughäfen noch möglich"

Düsseldorf · Im Tarifstreit an den NRW-Flughäfen sollte der Landesschlichter der NRW-Regierung, Bernhard Pollmeyer , nach dem Willen des Arbeitgeberverbands BDSW eine Lösung finden. Doch die Gewerkschaft Verdi lehnte eine Schlichtung ab. Am Donnerstag treffen sich nun Vertreter beider Seiten, um im festgefahren Konflikt voranzukommen. Unsere Redaktion sprach mit dem Landesschlichter über den Konflikt im Sicherheitsgewerbe, seine schwierige Aufgabe und seine Rituale nach erfolgreicher Schlichtung.

Januar 2013: Streik am Flughafen Düsseldorf
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Herr Pollmeyer, Sie sind seit 13 Jahren Landesschlichter. Wie hat sich die Tariflandschaft seit Ihrem Amtsantritt verändert?

Pollmeyer Der zunehmende Fachkräftemangel, die Euro-Krise und die moderate Reallohnentwicklung der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Beschäftigten heute teils wieder offensiver in Tarifkonflikte gehen. Sie gehen für ihre Forderungen wieder häufiger auf die Straße.

Derzeit sorgt der Tarifstreit der Fluggastkontrolleure mit Streiks für Aufsehen. Geben Sie einer Schlichtung in diesem Sektor noch eine Chance?

Pollmeyer Ich gebe einer Schlichtung immer eine Chance. Sie ist ja die Ultima Ratio, wenn die Parteien am Verhandlungstisch nicht weiterkommen. Oder wenn auch ein Arbeitskampf nicht zu einer Lösung führt. Wir haben viele größere Tarifkonflikte in Deutschland per Schlichtung lösen können.

Wenn es schon Streiks gegeben hat, erscheinen die Arbeitgeber dann sauer zur Schlichtung?

Pollmeyer Das kann man so generell nicht sagen. Es gibt ja auch Unterschiede zwischen Warnstreiks und länger dauernden Arbeitskämpfen nach einer Urabstimmung. Natürlich spielen auch Emotionen und Charaktere eine Rolle.

Was macht den Konflikt an den Flughäfen so schwierig?

Pollmeyer Haben Sie bitte Verständnis, dass ich mich dazu nicht detailliert äußere. Eine Schlichtung ist ja immer noch möglich. Nur so viel: Die Arbeitgeber haben mich vor Weihnachten gebeten, als Schlichter tätig zu werden. Dies war zu dem Zeitpunkt nicht mit ver.di vereinbart gewesen. Im NRW- Wach- und Sicherheitsgewerbe bin ich schon früher bei Tarifkonflikten tätig gewesen.

Neben Verdi machen viele kleine, schlagkräftige Gewerkschaften - etwa bei Ärzten und Lokführern - mehr Druck. Wünschen Sie sich das Prinzip der Tarifeinheit zurück?

Pollmeyer Für einen Betrieb ist es natürlich einfacher, wenn er nur einen Tarifvertrag anwenden muss. Auf der anderen Seite ist es Fakt, dass Berufsgruppen sich organisieren, wenn sie ihre Interessen auf diese Weise meinen besser durchsetzen zu können. Es darf jedoch nicht zu einer Atomisierung der Tariflandschaft kommen.

Wie kommt es zur Schlichtung?

Pollmeyer Klassischerweise bitten mich die Tarifpartner um Hilfe, wenn die Verhandlungen stocken. Zum Teil werde ich aber auch selbst aktiv, wenn ich von Streitigkeiten etwa in der Presse erfahre.

Welche Eigenschaften muss ein guter Schlichter mitbringen?

Pollmeyer Geduld, viel Geduld. Und natürlich Sachkenntnis und Neutralität. Die erreicht man am besten, indem man die Diskussion weg von den Emotionen hin zu den Sachthemen lenkt. Also: Was ist die ökonomische Situation in der Branche, wie sehen die Tarifverträge in anderen Bundesländern aus, wie sieht die Reallohnentwicklung der vergangenen Jahre, wie die Gewinnentwicklung aus? Zwischendurch muss ich auch schon mal auf den Tisch hauen und mit Abbruch der Gespräche drohen. Schlichtung ist ein Stück weit Gesprächstherapie und auch Politik. Man muss sehr sorgfältig herausarbeiten, was die Interessenlagen und Sachverhalte sind, um am Ende daraus "eine bekömmliche Mahlzeit zu kochen".

In welchen Branchen sind Sie als Schlichter eine feste Größe?

Pollmeyer Mein Hauptaufgabengebiet sind Firmentarifverträge in allen möglichen Wirtschaftszweigen. Aber auch Branchen wie das Friseur-, das Gaststätten- und das Sichheitsgewerbe oder auch die Baustoffindustrie in NRW sind meine "Kunden".

Was war Ihr bislang spektakulärster Tarifkonflikt?

Pollmeyer Der beim Blutspendedienst West. Da fand die letzte Verhandlungsrunde zeitgleich mit dem Sturm "Kyrill" statt. Ich bekam im Verhandlungshotel einen Anruf von meinem Staatssekretär: "Herr Pollmeyer, wir brauchen schnell ein Ergebnis. Die Krankenhausgesellschaft habe sich bereits gemeldet, weil die Blutreserven knapp werden." Die Schlichtung haben wir dann Gott sei Dank hinbekommen.

Was war die größte Enttäuschung?

Pollmeyer Das war der Fliesenleger- Tarifkonflikt Nordrhein 2002. Nach dem Scheitern der Schlichtung wurde gestreikt bis der Arbeitskampf schließlich ohne Ergebnis beendet wurde.

Schlichtung hört sich nach langen Nachtsitzungen an.

Pollmeyer Das berühmte Sitzfleisch gehört natürlich dazu. Je länger man in die Nacht hinein tagt, desto mehr nimmt die Bereitschaft ab, Fensterreden zu halten. Ein Schlichter muss bis zum Schluss die Parteien bei der Stange halten. Viele unken ja, dass die langen Sitzungen nur Ritual seien. Das stimmt so nicht.

Haben Sie ein Ritual, wenn Sie erfolgreich geschlichtet haben?

Pollmeyer Ich hab schon mit beiden Parteien anschließend ein Bierchen an der Bar getrunken. Wenn man es hinbekommen hat, ist das wie beim Sport: Man bekommt einen Adrenalinschub. Ein sehr gutes Gefühl, die Mühe hat sich gelohnt.

Auf wie viele Schlichtungen kommen Sie im Jahr?

Pollmeyer: Zu den klassischen Tarifschlichtungen kommt die Moderation betrieblicher Konflikte, also wenn sich beispielsweise Betriebsrat und Geschäftsführung ständig vor Gericht bekriegen. Dann springe ich als Vermittler ein. Zusammen sind es zirka 20 bis 40 Fälle im Jahr.

Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten für eine Schlichtung?

Pollmeyer Die Parteien kostet es nichts. Die Schlichtung ist ein Dienstleistungsangebot des Landes. Für das Land fällt meine Besoldung als Leitender Ministerialrat an.

Haben andere Bundesländer auch solche Schlichter?

Pollmeyer Nein. Da hat NRW inzwischen eine Sonderstellung.

Maximilian Plück führte das Gespräch

(maxi)
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