Expertenrat über Verkehr und Bauen Schlechtes Klima-Zeugnis für die Ampel

Meinung · Der Expertenrat fürchtet, dass Deutschland seine Klimaziele verfehlt. Kein Wunder, vor allem beim Verkehr geht nichts voran. Autofahren ist zu billig, und der Verkehrsminister hat vom Kanzler einen Freibrief für das Nichtstun erhalten.

 Klimschützer kritisieren Bundesverkehrsminister Volker Wissing.

Klimschützer kritisieren Bundesverkehrsminister Volker Wissing.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Es klingt so nüchtern: Der Expertenrat für Klimafragen legt seinen Bericht zu Emissionsdaten vor. Doch das Zeugnis, das die fünf Wissenschaftler der Ampel ausstellen, ist verheerend.

Danach hat Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen nur gering gesenkt – und das auch nicht wegen großartiger Anstrengungen, sondern wegen der kriegsbedingten Drosselung von Industrieanlagen. Das Klima hat also nur von der vorübergehenden Wirtschaftskrise profitiert.

Die beiden größten Sünder – die Sektoren Gebäude und Verkehr – kommen beim Klimaschutz nicht voran. Daher haben die Experten zurecht große Sorgen, dass Deutschland seine Klimaziele verfehlen wird. Lange stand die Energiewirtschaft im Fokus der Klimaschützer – die Kämpfe um die Braunkohle-Reviere wie um den Hambacher Forst lassen grüßen. Dabei hält diese Branche ihre Ziele ein – obwohl sie auf Wunsch der Bundesregierung viele Kohlekraftwerke zurück ans Netz geholt hat.

Insbesondere im Verkehr aber tut sich nichts: Hier sind die Emissionen zum zweiten Mal in Folge sogar gestiegen. Das Neun-Euro-Ticket für Bus und Bahn hat zwar im vergangenen Jahr mächtig Wirbel verursacht. Doch faktisch wird weiter zu viel und zu schnell Auto gefahren. Offenbar sind Sprit und Anwohner-Parkausweise noch immer nicht teuer genug, um den Bürgern zu zeigen, dass Autofahren viel kostet – und zwar das Klima. Die externen Kosten, die durch Nutzung der Umwelt anfallen, müssten längst viel stärker internalisiert werden.

Am besten wäre es, wenn dazu alle Bereiche wie die Strombranche dem europaweiten Emissionshandel unterworfen würden und mit entsprechenden CO2-Preisen umgehen müssten. Dann würden die Kohlendioxid-Einsparungen genau dort erfolgen, wo es am günstigsten ist. Da es diese ideale Welt nicht gibt, hatte sich Deutschland hilfsweise zunächst auf Ziele und Sanktionen für einzelne Sektoren verständigt. Doch kaum ist das liebste Kind der Deutschen, das Auto, betroffen, kuscht die Regierung: Anstatt die Zügel beim Verkehr anzuziehen, kippt die Koalition die Sektorziele und befreit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) von der Vorlage verschärfter Programme. Das ist ein Freibrief zum Nichtstun.

Was für eine Blamage für ein Dreier-Bündnis, das als Fortschritts-Koalition angetreten ist und das Wort Nachhaltigkeit auf dem Deckblatt seines Koalitionsvertrages führt. Die FDP wollte zeigen, wie Klimaschutz in der Marktwirtschaft geht – und macht mit klimaschädlichem Hokuspokus wie Tankrabatten von sich reden. Die SPD wollte den sozialen Umbau – und verteilt dann milliardenschwere Energiehilfen, von denen Gutverdiener am meisten haben. Die Grünen wollten die ökologische Generalsanierung – und traktieren Bürger mit klimapolitisch kontraproduktiven Heizungsverboten. Es rächt sich immer mehr, dass die Grünen auf das Schlüsselministerium der Klimawende verzichtet und das Verkehrsressort den Liberalen überlassen haben. Kein Wunder, dass Wissing zum leichten Feindbild der Klimaproteste geworden ist.

Es wird höchste Zeit, dass die Ampel sich auf den Titel ihres Koalitionsvertrages besinnt und mehr Fortschritt beim Klimaschutz wagt.

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