Liquiditätshilfen Schäuble kritisiert Notkredite für Athen

Berlin · Die EZB erhöht erneut ihre Hilfen für griechische Banken. Die Koalition fordert stattdessen Kapitalverkehrskontrollen.

Ungeachtet der Einigung, die sich jetzt im griechischen Schuldenpoker abzeichnet, gibt es in der Berliner Regierungskoalition Kritik an den stetig steigenden Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) für die griechischen Banken. Dadurch halte die EZB "den griechischen Staat künstlich über Wasser", kritisierte Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus. Die EZB laufe damit Gefahr, "außerhalb ihres Mandats zu agieren". Sie müsse auf Preisstabilität achten, ihr Mandat sei es nicht, Euro-Staaten vor der Pleite zu bewahren. Athen müsse stattdessen "endlich Kapitalverkehrskontrollen einführen", um die Geldabflüsse zu stoppen.

Ähnlich hatte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach Angaben von Teilnehmern beim Treffen der Eurogruppe am Montagnachmittag geäußert. Schäuble habe demnach gefragt, wie lange die EZB die Liquiditätshilfen noch aufrecht erhalten wolle. Diskutiert habe die Eurogruppe zudem, ob die Notkredite mit Kapitalverkehrskontrollen verknüpft werden müssten. Die EZB hat bisher so genannte Emergency Liquidity Assistence (Ela) im Umfang von 89 Milliarden Euro gewährt, mit denen sie griechische Banken liquide hält. Insidern zufolge wurde der Rahmen gestern erneut erhöht. Allerdings stößt die Aufstockung jetzt sehr bald an rechtliche Grenzen. Die Hilfen könnten schon in dieser Woche nicht mehr erhöht werden.

Ohne die Geldzufuhr wären Griechenlands Banken bereits zusammen gebrochen, da Bürger und Unternehmen aus Angst vor einem Euro-Austritt massiv Geld von ihren Konten abgezogen haben. Die Notenbank erkauft der Politik damit seit Monaten Zeit: Ohne ihre Schützenhilfe wäre das Chaos in Griechenland bereits bittere Realität.

In der Koalition sehen Finanzpolitiker die EZB-Hilfe trotzdem kritisch - aus mehreren Gründen: Sie verringere den Einigungsdruck für Athen, erhöhe langfristig die Inflation und kurzfristig den Haftungsrahmen für europäische Steuerzahler. Denn für mögliche Verluste der EZB müssen im Ernstfall die Steuerzahler gerade stehen. Deutschland etwa "besitzt" die EZB zu 27 Prozent. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider hatte erklärt, die EZB handele "ohne demokratische Legitimation und Kontrolle, während die Steuerzahler in Europa haften".

Die Eurogruppe berät heute ab 19 Uhr über Bedingungen für neue Hilfszahlungen. Grundlage sind die jüngsten Reformvorschläge aus Athen, die erst am Montag in buchstäblich letzter Minute beim EU-Sondergipfel auf den Tisch kamen.

Athen ist demnach jetzt doch bereit, im Rentensystem zu kürzen. Frühverrentungen sollen zurückgeschnitten, Krankenversicherungsbeiträge für Rentner erhöht werden. Zudem soll eine Sondersteuer für Bürger mit einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 30 000 Euro eingeführt werden. Auch Unternehmen mit Jahresgewinnen ab einer halben Million Euro sollen höhere Steuern bezahlen. Die umstrittene Immobiliensteuer soll bleiben, Militärausgaben jedoch gleichzeitig um jährlich 200 Millionen Euro gekürzt werden. Insgesamt sollen so acht Milliarden Euro pro Jahr zusammen kommen.

Im Gegenzug will Athen durchsetzen, 27 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten gegenüber der EZB auf den Euro-Rettungsschirm ESM umzuschichten. Damit will es fällige Zinsen senken, denn die ESM-Kredite sind günstiger. Die Eurogruppe will sich darauf aber bislang nicht einlassen.

Einigen sich die Finanzminister, sollen die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel morgen und am Freitag die Vereinbarung beschließen. Athen müsste sie nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums zunächst aber durch das eigene Parlament bringen, bevor der Bundestag entscheidet. Die Abstimmung in Berlin könnte am Montag oder Dienstag folgen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher warnte vor der Illusion, die Griechenland-Krise sei mit dieser Einigung vorüber. "Wir werden uns damit abfinden müssen, dass die Hängepartie der vergangenen Monate sich noch lange Zeit fortsetzen wird", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Es ist eine Illusion, die Griechenland-Krise würde nun schnell gelöst werden können." Vor allem die Frage des von Griechenland verlangten Schuldenschnitts werde weiterhin ungelöst bleiben.

(mar)
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