Saudi-Arabien Abschied vom Öl

Riad · Wer an Erdöl denkt, denkt an Saudi-Arabien. Jeden Tag pumpt das Königreich auf der Arabischen Halbinsel mehr als zehn Millionen Barrel Rohöl aus dem Boden. Das sind 1,6 Milliarden Liter. Damit ist das Land einer der weltweit größten Erdölproduzenten und der größte Exporteur dieses Rohstoffes überhaupt. Das Öl hat das Land und seine Herrscher reich gemacht. Das Öl hat Saudi-Arabien aber auch abhängig gemacht und das ist in Zeiten des Ölpreisverfalls ein gefährlicher Umstand. Dies hat die Führung des Staates erkannt und will nun Abhilfe schaffen: Das Land des Öls nimmt Abschied von den alten Zeiten und will seine Wirtschaft mit großen Reformen einem Strukturwandel unterziehen.

Saudi-Arabien: Abschied vom Erdöl
Foto: Ferl

"Saudi Vision 2030" lautet der Titel dieses Wirtschaftsprogramms. Entworfen wurde es von Vizekronprinz Mohammed bin Salman al-Saud in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung McKinsey und Ende April vom saudischen Kabinett verabschiedet. Das Ziel: Sogar schon bis 2020 soll die Wirtschaft im Land nicht mehr überwiegend vom Geschäft mit dem Öl abhängig sein. Wenn man bedenkt, dass noch im vergangenen Jahr laut Angaben der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Saudi-Arabien mehr als 70 Prozent der Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor stammten, ist das eine Mammutaufgabe.

Die Zahlen machen aber auch deutlich, wie wichtig ein Strukturwandel für die Wirtschaft des Königreichs ist: Konnte Saudi-Arabien zwischen 2010 und 2014 eine durchschnittliche reale Wachstumsrate von 5,4 Prozent erzielen, sank diese 2015 auf 3,4 Prozent. In diesem Jahr könnte sie noch weiter auf 1,9 Prozent sinken, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

Mit seinen Währungsreserven steuert das Land zwar stets gegen die Entwicklungen am Ölmarkt, doch auch diese schrumpfen, jedes Jahr verlieren die Saudis inzwischen mehrere hundert Milliarden Dollar. Um nicht weiter auf die Rücklagen zurückgreifen zu müssen, hat sich das Land sogar kürzlich zum ersten Mal seit 25 Jahren Geld geliehen: Zehn Milliarden Dollar flossen von einem internationalen Bankenkonsortium. Und der Staat hat noch weitere Probleme: Der Krieg im Jemen fordert seinen finanziellen Tribut, die Jugendarbeitslosigkeit liegt immer noch bei rund 30 Prozent und eine Konfliktlösung mit dem Iran - auch mit Blick auf den Öl-Handel - ist nicht in Sicht.

Da kommen die Reformen des jungen Vizekronprinzen, der gleichzeitig Verteidigungsminister und für die Wirtschaftspolitik zuständig ist, genau zur richtigen Zeit. "Wir haben in Saudi-Arabien alle eine Sucht nach Öl entwickelt. Das ist gefährlich und hat die Entwicklung in vielen Bereichen in den vergangenen Jahren behindert", fasste er den Status quo des Landes bei der Vorstellung seiner Pläne zusammen.

Um unabhängig vom Öl zu werden, will der 30 Jahre alte Prinz unter anderem den staatlichen Öl-Konzern Saudi Aramco in Teilen an die Börse bringen, zudem soll der staatliche Investmentfonds auf zwei Billionen US-Dollar aufgestockt werden, um große Investitionen im Ausland zu ermöglichen. Ferner sehen die Reformen Einsparungen beim Öl-Verbrauch im Inland vor, erneuerbare Energien im Land sollen gefördert und zum Beispiel Solarzellen gebaut werden. Das ist kein schlechter Plan, Sonnenschein haben die Saudis schließlich mindestens genauso viel wie Öl, mit dem Vorteil, dass die Kapazitäten dieser Ressource auf absehbare Zeit nicht erschöpft sein werden so wie beim schwarzen Gold.

Für solche Reformen braucht es aber auch das entsprechende Personal. Und um genau das hat sich Mohammed bin Salman al-Saud im Auftrag seines Vaters König Salman bereits gekümmert: Nach mehr als 20 Jahren im Amt wurde der 81 Jahre alte Ölminister Ali al-Naimi entlassen und Gesundheitsminister Khalid al-Falih zu seinem Nachfolger berufen. Der ehemalige Vorstandschef von Saudi Aramco kennt die Branche genau und bekleidet in Zukunft nicht nur das Amt des Ölministers, sondern leitet das neu gegründete Ministerium für Energie, Industrie und Bodenschätze, das die verschiedenen Wirtschaftszweige des Landes in sich vereint. In dieser Funktion soll Falih den Strukturwandel des Landes im Sinne des Königs vorantreiben.

Ob er damit erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten: Bislang haben die Saudis - auch im Vergleich mit ihren Nachbarn in den Vereinigten Arabischen Emiraten - den Abschied vom Öl verschlafen. Denn die neuen Reformen sind nicht der erste Anlauf des Landes, sich von dem Rohstoff unabhängig zu machen - umgesetzt wurde bislang jedoch kaum etwas.

Als erste Maßnahme hat sich das Land nun vorgenommen, den Ölmarkt zu fluten. Aramco-Chef Amin Nasser kündigte an, künftig noch mehr Öl pumpen zu wollen. Offenbar will man damit Stärke beweisen - vielleicht auch, um Saudi Aramco für die Börse attraktiver zu machen.

(lai)
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