Konjunktur Die Ära Merkel hat Deutschland wirtschaftlich gut getan

Meinung | Berlin · Politischer und wirtschaftlicher Zustand des Landes könnten unterschiedlicher kaum sein: Während Deutschland seit vier Monaten ohne Regierung ist, läuft die Wirtschaft so gut wie selten zuvor. Trotzdem debattieren die Sondierer über Steuererhöhungen, anstatt über Haushaltskonsolidierung zu sprechen.

Satarke Konjunktur: Die Ära Merkel hat Deutschland wirtschaftlich gut getan
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2017 steigerte Deutschland sein Wachstum nochmals eindrucksvoll, die Erwerbstätigkeit stieg auf einen neuen Rekord, vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm weiter zu, die verfügbaren Einkommen konnten um fast vier Prozent gesteigert werden, auch die Investitionen zogen an. Fast könnte man sagen: Ohne Regierung läuft es besonders gut. Von der politischen Unsicherheit in den letzten Monaten ließen sich Konsumenten und Investoren jedenfalls bisher noch nicht anstecken: Gerade im vierten Quartal des vergangenen Jahres, in das die Bundestagswahl mit ihrem schwer handhabbaren Ergebnis fiel, brummte die Wirtschaft mit nochmals höherem Tempo.

Konjunkturexperten reiben sich die Augen, denn der nunmehr achtjährige Aufschwung ist ungewöhnlich lang. Die Ära Merkel hat Deutschland zweifellos wirtschaftlich gut getan. Debattiert wird jetzt, ob der Konjunkturzyklus seinen Zenit überschritten hat und ob sich Anzeichen der Überhitzung mehren, die das Ende des Aufschwungs bedeuten würde. Doch diese Signale sind beim besten Willen weiterhin noch nicht erkennbar. Die Inflationsrate verharrte 2017 unter zwei Prozent, die Löhne wachsen nicht exorbitant. Kapazitäten sind noch nicht überausgelastet, wenngleich sich auch viele Industriesparten den Kapazitätsgrenzen nähern. Doch erst wenn die Löhne viel schneller steigen würden als mit drei, vier Prozent, hätten die Experten einen Anlass von Überhitzung zu sprechen — und der Aufschwung könnte abbrechen.

Es wird so gut weitergehen

Das ist nicht der Fall. Es wird also vorerst so gut weiter gehen im laufenden Jahr. Die gute Wirtschaftslage schafft der Politik eigentlich glänzende Voraussetzungen. Der Staatsüberschuss war 2017 mit 38 Milliarden Euro so hoch wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Vor allem die Länder erreichten ein Plus von 16 Milliarden, gefolgt von den Sozialversicherungen. Der Bund muss sich zwar mit drei mageren überschüssigen Milliarden in der Kasse begnügen, weil er in der abgelaufene Legislaturperiode Ländern und Kommunen erhebliche Extra-Milliarden gewährt hat.

Insgesamt aber ließe sich in einer derartig guten fiskalischen Lage nicht rechtfertigen, dass eine mögliche große Koalition Steuern erhöht, insbesondere nicht für die gut verdienende Mitte der Gesellschaft. Die von der SPD geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes würde bereits Bezieher von Einkommen ab 60.000 Euro im Jahr belasten. Als besserverdienend gelten den Sozialdemokraten damit schon tariflich gut eingestufte Industriefacharbeiter und Angestellte, Selbstständige und Handwerker sowieso. Es wäre ein Zeichen der Schwäche, der Ignoranz und der Geringschätzung, würde eine Groko diese Leistungsträger ausgerechnet in der Zeit ohnehin sprudelnder Steuereinnahmen zusätzlich zur Kasse bitten. Das trägt nur zur Frustration und zur Politikverdrossenheit bei. Schon jetzt tragen jene zehn Prozent der Steuerzahler am oberen Ende der Einkommensskala mehr als 50 Prozent des Aufkommens. Mehr Umverteilung muss nicht sein. Wenn man mehr Geld braucht — etwa für staatliche Investitionen in Bildung und Digitalisierung — fände man dieses Geld im Haushalt. Es ist ein Armutszeugnis, dass für die Groko-Sondierer das Wort Haushaltskonsolidierung ein Fremdwort ist. Dass ökologisch schädliche Subventionen oder andere überflüssige Ausgaben gestrichen werden könnten, spielte bisher keine Rolle.

In konjunkturellen Hochphasen sind umgekehrt auch Steuerentlastungen nicht nötig. Es gibt aber triftige Argumente dafür, perspektivisch spätestens ab 2020 Entlastungen vorzubereiten. In den kommenden Jahren wird Deutschlands großes demografisches Problem, die Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge, voll zuschlagen. Wachstum und Wohlstand werden dann schlicht durch den Arbeitskräfte- und vor allem Fachkräftemangel reduziert. Spätestens dann ist die Zeit für Steuerentlastungen gekommen. Zufällig läuft genau zu dieser Zeit die Legitimation für den Solidaritätszuschlag aus. Er sollte also ab 2020 in wenigen Jahresschritten komplett abgebaut werden.

(mar)
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