München Samwer: Google ist ein behäbiger Tanker

München · Der Seriengründer erklärt, warum sich Europas Start-up-Branche vor den USA nicht verstecken muss.

Google, Facebook, Twitter: In der Internet-Branche sind Firmen aus dem Silicon Valley traditionell das Maß der Dinge. Doch inzwischen ist unübersehbar: Start-ups aus Europa gewinnen an Selbstbewusstsein und Marktanteile. Noch sind die Erfolgsgeschichten meist auf einzelne Bereiche konzentriert, etwa Smartphone-Spiele. So landete die finnische Firma Supercell einen Hit mit ihrem "Clash of Clans", ebenso wie King Digital mit "Candy Crush". King wird vor allem nach dem Börsengang in New York oft als US-Firma wahrgenommen, hat aber ihren Sitz in London, gegründet von einem Italiener - europäischer geht es also kaum.

Der Chef der Berliner Start-up-Schmiede Rocket Internet, Oliver Samwer, sieht ein verändertes Klima in Europa. "Die wichtigste Erfahrung des Börsengangs war: Es ist machbar", sagte der 38-Jährige gestern auf der Internet-Konferenz DLD in München. Die Ängste im Vorfeld hätten sich als unbegründet erwiesen. Rocket Internet war im vergangenen Oktober an die Börse gegangen und hatte dabei 1,4 Milliarden Euro eingenommen. Der Marktwert des Unternehmens liegt über 6,5 Milliarden Euro. Rocket Internet entwickelt weltweit junge Unternehmen vor allem im Bereich des Online-Handels. Oliver Samwer hofft, dass dieses Beispiel anderen Unternehmen Mut mache. "Wir haben jetzt auch für unsere eigenen Start-ups ein konkretes Beispiel statt nur luftiger Träume."

Und aus Samwers Sicht sind die Branchengiganten wie Google inzwischen eher behäbige Tanker. Seine Start-ups seien dynamischer als die etablierten Internet-Konzerne aus den USA. "Bei Google haben Sie eine Cafeteria mit Gratis-Getränken und Sushi - bei uns können Sie Unternehmen aufbauen", beschrieb er Perspektiven für Neueinsteiger.

Die europäische Start-up-Szene unterscheidet sich auch in anderer Hinsicht vom Silicon Valley. Während sich dort viele Unternehmen auf geringem Raum konzentrieren, gibt es in Europa mit London, Stockholm und Berlin mehrere Zentren. Diese Vielfalt werde sich langfristig als Wettbewerbsvorteil erweisen, wenn Sprachbarrieren dank Entwicklungen wie Echtzeit-Übersetzungen in den Hintergrund gedrängt werden, glaubt man in der EU-Kommission. Samwer sieht jetzt schon kein Problem damit: "Die Sache mit den verschiedenen Kulturen in einzelnen Ländern wird überbewertet: E-Commerce funktioniert überall." Am Ende zählt für ihn nur der Erfolg: "Es ist egal, wie gut jemand gestern war, wenn der Hospitant heute besser ist."

(dpa)
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