Analyse Russland-Streit kennt fast nur Verlierer

Düsseldorf · Ein Jahr nach den Gegensanktionen von Präsident Putin steckt Russlands Wirtschaft in der Rezession. Auf deutscher Seite stöhnen Maschinenbauer und Bauern. Den Streit ökonomisch zu entschärfen, erscheint derzeit kaum möglich.

Der deutsche Maschinenbau gehört zu den Branchen, die am meisten unter der Wirtschaftskrise in Russland leiden. Und es sind nicht nur die 2014 verhängten Ausfuhrverbote auf bestimmte Güter, die die Maschinenbauer lähmen, sondern auch andere Faktoren. Der Rubelkurs ist zum Teil wegen der Sanktionen des Westens abgestürzt, zum Teil, weil der Ölpreis in den Keller gerauscht ist. Die Wirtschaftslage ist schlecht, Kredite sind für die russischen Kunden vielfach zu teuer. Zudem fehlt den russischen Banken wegen der vom Westen verhängten Sperren der Zugang zum Kapitalmarkt im Westen, was die Kreditvergabe erschwert. "Kredite sind für die russischen Kunden unerschwinglich und außerdem kaum zu erhalten", sagt Ulrich Ackermann, Leiter der Außenwirtschaftsabteilung beim Branchenverband VDMA.

Die Krise hat die Mitgliedsunternehmen des VDMA schon 2014 Exporte im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro und damit ein Sechstel des Gesamtgeschäfts gekostet, und in diesem Jahr sind die Ausfuhren allein bis Mai nochmals um 30 Prozent eingebrochen. Genauso stöhnen die Bauern unter dem Importverbot, dass Russlands Präsident Wladimir Putin heute vor einem Jahr als Reaktionen auf die Sanktionen des Westens verhängt hat. Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte aus dem Westen dürfen seither nicht mehr die russischen Grenzen passieren -mit gravierenden Folgen für die deutschen Landwirte. Auf 600 Millionen bis 800 Millionen Euro hat Bauern-Präsident Joachim Rukwied im "Tagesspiegel" den entstandenen Schaden beziffert. "Russland war einer unserer drei größten Exportmärkte, und der ist praktisch weggebrochen", sagte Rukwied. Autobauer wie VW spüren die Schwäche auf dem russischen Markt. Opel hat die Produktion komplett aufgegeben, die Textil-Exporteure leiden ebenfalls darunter, dass ihre Produkte für viele russische Kunden zu teuer geworden sind.

Zwölf Monate nach der ökonomischen Eskalation des Streits zwischen West und Ost sieht man allerorten Verlierer, und niemand ist derzeit in der Lage, die Auseinandersetzung zu entschärfen und dadurch die ökonomischen Folgen zu mildern. Die Russen leiden unter der Politik ihres Präsidenten genauso wie ihre Wirtschaftspartner im Ausland. Denn Putin hat mit dem Embargo beispielsweise für Agrargüter und Lebensmittel aus der EU die Teuerung im eigenen Land befeuert, die durch den schwachen Rubel noch verstärkt wurde. Der Kurs hatte sich nach dem Absturz in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zwar zwischenzeitlich erholt, Doch zuletzt verlor der Rubel wieder an Wert. Jüngst verzichtete die Notenbank in Moskau sogar darauf, ihre Devisenreserven zu stärken, denn das hätte den Druck auf den Kurs noch erhöht.

Die Währung hat extrem unter dem niedrigen Ölpreis gelitten. Öl und Gas waren und sind die wichtigsten Exportgüter Russlands, und wenn da die Einnahmen wegbrechen, liegt die Wirtschaft am Boden. Russland steckt in der Rezession. Die Wirtschaftsleistung wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um 3,4 Prozent schrumpfen. Für 2016 tut sich laut IWF zwar ein Licht am Horizont in Form von Mini-Wachstum auf (0,2 Prozent). Und mittelfristig hält der Währungsfonds sogar ein Plus von 1,5 Prozent bei der Wirtschaftsleistung für möglich. Aber die Perspektive gilt nur dann, wenn sich der Streit nicht weiter verschärft.

Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Bürger und Unternehmen aus dem Gebiet der Europäischen Union dürfen fünf großen staatlichen russischen Banken und ihren Tochtergesellschaften keine Darlehen mehr geben, die gleichen Sperren am Kapitalmarkt gelten auch für große russische Rüstungskonzerne und Energieriesen. Andere Maßnahmen wurden im Juni ebenfalls bis Januar des kommenden Jahres verlängert.

Diese Verlängerung der EU-Sanktionen (siehe Info) ist nur ein Problem der Russen. Die USA haben in der vergangenen Woche ihren Strafenktalog verschärft. Betroffen unter anderem: Angehörige und Geschäftspartner von Gennadij Timtschenko und Boris Rotenberg, die beide zum engeren Freundeskreis von Wladimir Putin zählen. Ein Friedensangebot an Putin und Co. ist das nicht.

Wo die politische Entspannung ausbleibt, ist auch von ökonomischer Deeskalation nichts zu sehen. Der Rubel bleibt unter Druck, und das trifft zum Beispiel Handelskonzerne wie die Düsseldorfer Metro, deren Großhandelgeschäft im bis Ende März laufenden zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2014/2015 wegen der Rubel-Schwäche drei Prozent Umsatz verloren hat. Heute legt die Metro neue Quartalszahlen für den Zeitraum April bis Juni vor, und da dürfte sich das Bild auf dem russischen Markt kaum entscheidend verändert haben. Russland als große Wachstumsregion - das war einmal. Vorerst jedenfalls.

(RP)
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