Ruhr-Startupweek 2022 Wie junge Unternehmen nachhaltiger werden

Essen · Wer nachhaltig gründet, verliert manchmal die Wirtschaftlichkeit aus dem Blick – und umgekehrt. Über dieses Problem sprechen Gründerinnen und Gründer aus NRW bei der Ruhr-Startupweek. Die läuft noch bis Freitag – mit mehr als 60 kostenlosen Veranstaltungen.

 Auf der Ruhr-Startupweek 2022 kamen Gründungsinteressierte aus ganz NRW zusammen.

Auf der Ruhr-Startupweek 2022 kamen Gründungsinteressierte aus ganz NRW zusammen.

Foto: Ruhr-Startupweek

Als Sarah Neuwirth vor fünf Jahren ihr Start-up Woodcabin gründete, war ihr vor allem eines wichtig: Es sollte nachhaltig sein. Die Mode­designerin schneiderte Kleidung aus recycelten Stoffen und verkaufte sie so günstig wie möglich. Neuwirth, selbst mit Hartz IV aufgewachsen, wollte so auch Menschen mit wenig Geld erreichen.

Eine ehrenwerte Idee, das hätten viele gesagt, aber Gewinn machte sie damit kaum. „Ich habe mich lange nicht damit beschäftigt, wie ich sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich arbeite“, sagt die Dortmunderin heute. Bei der Ruhr-Startupweek in Essen möchte sie deshalb erfahren, wie sie Idealismus und Unternehmergeist in Einklang bringen kann.

Nachhaltigkeit und sozialer Einfluss sind dort in diesem Jahr als Themen sehr präsent. Die mehr als 60 kostenlosen Veranstaltungen beschäftigten sich mit Fragen wie: Wie kann ich meine Mitarbeiter in einem nachhaltigen Unternehmen positiv führen? Oder: Wie gestalte ich einen Onlinehandel umweltbewusst? Sie finden seit Montag und noch bis Freitag im Ruhrgebiet statt – unter anderem in Essen, in Bochum und in Duisburg. Gründungsinteressierte können sich über Erfahrungswerte und ihre Visionen austauschen. Seit sechs Jahren gibt es die Startupweek schon, koordiniert wird sie vom Ruhrhub, mehr als 50 Partner machen mit – unter anderem Microsoft oder OMR. Schirmherrin ist NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne).

Gründerin Neuwirth besucht am Mittwoch eine Veranstaltung vom Gründungs- und Unternehmenszentrum Triple Z in Essen mit dem Titel: „Gut für dich und dein Unternehmen: Wie Nachhaltigkeit richtig geht“. Als sie das in der Ankündigung gelesen habe, habe sie sich sofort abgeholt gefühlt. Die 28-Jährige gründete nach ihrem Mode­design-Studium, mit viel Mut, aber wenig Wissen über Start-ups. Finanzierte sich selbst, knüpfte keine Kontakte in die Szene und arbeitete bis zum Burn-out: Vor zwei Jahren wurde ihr alles zu viel und sie beschloss, unter ihrem Label zusätzlich Upcycling-Workshops anzubieten. Heute bringt sie ihren Kunden bei, wie man aus Abfall wie Tetrapaks oder Fahrradschläuchen Taschen, Geldbeutel oder Schmuck bastelt. Kleidung schneidert sie nur noch nebenbei, aber das möchte sie wieder ändern.

Es sei allein schon aus Wettbewerbssicht wichtig, als junges Unternehmen nachhaltig zu agieren, sagt Veranstalterin Sophia Schmidt-Gahlen, stellvertretende Leiterin von Triple Z. Man dürfe sich aber nicht verzetteln. „Erst einmal solltet ihr euch darüber klar werden, an welchem Punkt ihr nachhaltig sein möchtet. Und von da aus entwickelt ihr eine Strategie“, rät sie den Teilnehmenden. Eine Möglichkeit könnten nachhaltige Lieferketten sein. Die seien aufwendig zu organisieren, hätten aber einen größeren Effekt auf die Umwelt als beispielsweise auf recyceltes Papier zu setzen. Und: Wer diese Vorstöße nach außen trage, habe einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die Gründer müssten sich nur von dem Gedanken verabschieden, in jeder Hinsicht nachhaltig sein zu können.

Neuwirth geht nun mit vielen Visitenkarten und einem guten Gefühl nach Hause: „Ich habe jetzt eine Idee, wie ich weitermache“, sagt sie. Sie wird die Tipps beherzigen. Und weiter um Woodcabin kämpfen. Etwas zu verlieren habe sie ohnehin nicht. Schließlich kenne sie das Gefühl, mit nichts da zu stehen, schon seit ihrer Kindheit.

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