Essen Ruf nach Braunkohle-Stiftung wird lauter

Essen · Für Spätfolgen des Tagebaus soll der Essener Energieriese nach dem Willen der Grünen mindestens eine halbe Milliarde Euro Kaution hinterlegen. Wegen der Konzernkrise fürchten die Grünen um die Rückstellungen von RWE.

Wie viel Geld RWE für die Spätkosten seiner Tagebau-Löcher in Inden, Hambach und Garzweiler bereit hält, war bei dem Essener Energieriesen lange ein wohl gehütetes Geheimnis. Offenbar wollte der angeschlagene Dax-Konzern Debatten darüber vermeiden. Gestern änderte sich diese Strategie. Die Rückstellungen für die Spätschäden des Braunkohletagebaus lägen aktuell "bei etwa 2,1 Milliarden Euro", teilte der Konzern auf Anfrage mit.

RWE steht unter Druck. Im November erhoben die Grünen - in NRW immerhin Regierungspartei - die Forderung nach einer "Braunkohle-Stiftung": Analog zur RAG-Stiftung, die mit Geldern des RAG-Nachfolgekonzerns Evonik die Ewigkeitslasten des Steinkohlebergbaus finanziert, soll nun eine neue RWE-Stiftung Geld für die Ewigkeitskosten des Tagebaus vorhalten.

Jetzt legen die Grünen nach und fordern eine "Kaution" - wie sie Vertragspartner immer dann hinterlegen müssen, wenn Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit besteht. Mindestens eine halbe Milliarde Euro soll der zweitgrößte deutsche Energiekonzern hinterlegen. Und zwar für unerwartete Kosten - so will es ein internes Strategiepapier der Grünen. Bei den 2,1 von RWE genannten Milliarden sind die schon bekannten Milliardenkosten etwa für den Rückbau der riesigen Baggerlöcher bereits enthalten.

Zudem wollen die Grünen die Kaution getrennt vom Konzern verwahrt wissen. Hintergrund: RWE hat die Energiewende verschlafen und leidet unter dramatischen Gewinneinbrüchen - allein in den letzten zwölf Monaten hat sich der Börsenwert des Ex-Giganten halbiert. "Wir haben es mit einem Konzern in der Krise zu tun, der noch immer keine Antwort auf die Energiewende hat", sagt Grünen-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh. Niemand wisse deshalb, "was aus den Rückstellungen in 50 Jahren einmal wird und ob am Ende nicht doch der Steuerzahler büßen muss".

Juristisch ist die Sorge berechtigt. Der auf Bergrecht spezialisierte Anwalt Michael Terwiesche fasst ein kaum bekanntes Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1970 (Az.: III ZR 136/68) so zusammen: "Wenn der Energiekonzern für die Spätfolgen nicht aufkommen kann, haftet das Land."

Wie groß die Tagebau-Spätschäden sein werden, ist unklar. Auch ein neues Gutachten, das die Grünen bei dem Burgdorfer Geologen Ralf Krupp in Auftrag gegeben haben, nennt keine Zahl. Aber es beschreibt wissenschaftlich genau den Folgeaufwand für künftige Generationen. Für Mostofizadeh ist klar: "500 Millionen Euro sind das absolute Minimum für eine solche RWE-Stiftung." Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz, selbst Diplom-Geograf, meint sogar, dass "mindestens fünf Milliarden Euro an Sicherheitsleistung eingebracht werden müssten". Zur genauen Berechnung verlangen die Grünen ein Sondergutachten, wie es von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG einst für die RAG-Stiftung erstellt wurde. Mostofizadeh: "Das übersteigt die Möglichkeiten einer Fraktion."

(RP)
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