Gescheiterte Klage Rückschlag für Wirecard-Aktionäre

Düsseldorf · Ein Urteil des Landgerichts München I versagt Anteilseignern einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Insolvenzverwalter. Vermutlich landet der Fall am Ende beim Bundesgerichtshof.

Rückschlag für die Wirecard-Aktionäre​
Foto: dpa/Peter Kneffel

Wirecard-Aktionär möchte man nicht wirklich sein. Anfang Juni 2020 lag der Aktienkurs des damaligen Dax-Mitglieds noch bei etwa 95 Euro, und schon da hatte er binnen vier Monaten 40 Prozent eingebüßt. Doch danach ging das Kursdesaster bei dem einstmals als Unternehmen der Zukunft gefeierten Finanzdienstleister erst so richtig los. Im Juni rauschte die Aktie endgültig in den Keller, seit dem Insolvenzantrag Ende Juni 2020 ging es dann gleichmäßig weiter bergab. Heute ist das Papier mit dem Begriff Pennystock (damit sind Aktien mit einem Wert von weniger als einem Euro gemeint) nicht mal annähernd zutreffend beschrieben: Der Kurs liegt bei 1,6 Cent. Marktkapitalisierung: knapp zwei Millionen Euro.

Schon im Frühsommer 2020 hatten die Anteilseigner die Nase voll von Wirecard. Für sie hat es jetzt vor dem Landgericht München I einen weiteren Rückschlag gegeben. Der erstinstanzlichen Entscheidung des Gerichts zufolge (geklagt hatte die Fondsgesellschaft Union Investment) gehen sie nämlich bei der Insolvenz leer aus. „Kapitalmarktrechtliche Schadenersatzforderungen der Aktionäre von Wirecard können nicht als Insolvenzforderung im Rang des Paragrafen 38 der Insolvenzordnung zur Insolvenztabelle angemeldet werden“, heißt es in der Begründung.

Aktionäre könnten nicht als Gläubiger gelten und daher ihre Schadenersatzansprüche grundsätzlich nicht als Forderung bei Insolvenzverwalter Michael Jaffé geltend machen. Allerdings ist damit die Frage, ob die Eigentümer Schadenersatzansprüche geltend machen könnten, nicht beantwortet. Sie können es nur eben nicht im Rahmen der Insolvenzordnung. Genau diese Frage wollte Union Investment geklärt wissen. Die Kläger sind von dem Urteil nicht überrascht worden. Es sei ein Präzedenzfall, der höchstrichterlich geklärt werden müsse, hat Union Investment nach der Urteilsverkündung erklärt. „Wir prüfen jetzt, welche weiteren rechtlichen Schritte möglich sind“, sagte ein Sprecher am Donnerstag auf Anfrage.

Das Urteil aus München ist in der Tat nachvollziehbar. Ein Gläubiger ist ein Mensch, der eine Forderung gegen eine andere Person respektive gegen ein Unternehmen hat. Insofern sind Aktionäre eines börsennotierten Konzerns als Eigentümer zunächst nicht diejenigen, auf die dieses Attribut zutrifft, weil sie einen Anteil am Unternehmen und nicht eine Forderung gegen das Unternehmen haben.

Sie stehen entsprechend bei einer Insolvenz in der Nahrungskette ganz hinten und kommen im Zweifel erst dann zum Zuge, wenn die anderen Gläubiger befriedigt sind. Bisher sind bei allen Bemühungen des Insolvenzverwalters um eine Vermögensverwertung zwar schon etwa eine Milliarde Euro zusammengekommen, doch das ist eben bei mehr als drei Milliarden Euro an Gläubiger-Forderungen bei Weitem zu wenig, als dass die Aktionäre auch nur ansatzweise davon profitieren könnten.

Ob die Aktienkäufer und deren Vertreter bei Wirecard getäuscht worden sind, spielte bei der Beurteilung des Falles keine Rolle. Vieles spricht genau dafür, auch wenn ohne ein richterliches Urteil für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Bei Wirecard ist der Kollaps vor zweieinhalb Jahren jedenfalls dadurch ausgelöst worden, dass bei der Prüfung des Jahresabschlusses Scheinbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro aufgedeckt worden sind. Nur wenige Tage später brach Wirecard zusammen. Zuvor hatte es über Jahre hinweg immer wieder Berichterstattung über angebliche Bilanztricksereien bei Wirecard gegeben, denen die Verantwortlichen des Unternehmens stets widersprochen hatten.

Zu denen gehörte seinerzeit der damalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun, gegen den in zwei Wochen in München der Prozess beginnt. Braun als einem von drei Beschuldigten wirft die Staatsanwaltschaft bandenmäßiges Vorgehen, Untreue, Bilanzfälschung und Kursmanipulation vor. Der österreichische Manager, seit fast zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft, ist übrigens aus der Justizvollzugsanstalt in Augsburg nach München-Stadelheim verlegt worden. Und dann wäre da noch Brauns ehemaliger Vorstandskollege Jan Marsalek, der Mann, der seit Jahren nicht mehr gesichtet wurde. Auch in Russland hat man ihn schon vermutet, bestätigt worden ist auch das nie.

Viele Beobachter rechnen mit einer Verurteilung von Braun und Co. Aber auch eine Verurteilung des österreichischen Ex-Managers würde Anleger, die auf irgendeine Form von Entschädigung hoffen, zunächst nicht weiterbringen. Am Ende wird ihnen respektive ihren Vertretern in Sachen Aktionärsrechte womöglich nur der Gang zum Bundesgerichtshof bleiben.

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