Wie Rose Bikes sich neu erfindet Fahrräder per Lieferservice

Bocholt · Die Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Das Bocholter Unternehmen Rose Bikes will diesen Trend nutzen – und setzt dafür auch auf unkonventionelle Methoden.

 Rose Bikes schloss das Jahr 2019/2020 mit einem Umsatzplus von 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab.

Rose Bikes schloss das Jahr 2019/2020 mit einem Umsatzplus von 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab.

Foto: ROSE Bikes GmbH/Simon Thon / Rose Bikes

Als die Corona-Pandemie Deutschland erreichte und die Geschäfte vorläufig schließen mussten, fiel es Tim Böker schwer, optimistisch zu bleiben: „Als die Corona-Krise ausbrach, dachte ich: Das war’s“, sagt der Geschäftsführer für den Bereich Handel des Fahrradhändlers Rose Bikes. Allein die sogenannte „Bike-Town“ am Firmensitz in Bocholt, eine Art riesiges Erlebnis-Fahrradgeschäft, mache jährlich mehr als 20 Millionen Euro Umsatz, sagt Böker. Besucher würden oft Hunderte Kilometer anreisen, um hier ihr Fahrrad in Empfang zu nehmen: „Und plötzlich war sie geschlossen. Das muss man erstmal kompensieren.“

Es waren düstere Aussichten, doch in Bocholt haben sie dann einfach das gemacht, was sie in den vergangenen mehr als 100 Jahren immer gemacht haben: Sie haben sich angepasst. Man habe eine Testfahrt-Lieferservice gegründet, sagt Tim Böker: „Wir haben drei bis vier Räder in einen Bulli gepackt und sind zu den Kunden gefahren. Das hat super funktioniert – und so konnten wir Kurzarbeit verhindern.“

Der Fahrradhändler Rose Bikes wurde 1907 von Heinrich Rose gegründet und befindet sich bis heute in Familienbesitz. Verkaufte man in den frühen Jahren noch im Sommer Fahrräder und im Winter Nähmaschinen, hat man sich inzwischen zu einem rasant wachsenden Fahrradhändler entwickelt, der sich ein großes Ziel gesetzt hat: „Unser Ziel ist es, die bekannteste Fahrradmarke Deutschlands zu werden“, sagt Tim Böker. Auf der Straße könne jeder Passant spontan fünf Automarken nennen. Beim Fahrrad sei das nicht so: „Das wollen wir ändern.“

Dem Team kommt dabei entgegen, dass sich der Fahrradmarkt zuletzt erfolgreich entwickelt hat. Allein im vergangenen Jahr stieg der Absatz von Fahrrändern und E-Bikes laut dem Zweirad-Industrie-Verband ZIV um rund 17 Prozent auf etwa fünf Millionen Stück. Radeln liegt wieder im Trend – und das nicht nur, weil die Menschen während der Pandemie plötzlich häufiger draußen waren und mehr Sport im Freien treiben wollten. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Menschen mehr Fahrrad fahren“, räumt Tim Böker ein: „Aber die zusätzliche Nachfrage konnten wir gar nicht bedienen, weil wir schon vorher maximal ausgelastet waren.“

Vielmehr steigt die Nachfrage nach Fahrrädern, und dabei insbesondere E-Bikes, schon seit Jahren. Dabei werden nicht nur die Fahrräder immer teurer (laut ZIV lag der Verkaufspreis eines Fahrrads beziehungsweise E-Bikes im vergangenen Jahr im Schnitt bei 1279 Euro), auch die Nachfrage nach zusätzlicher Ausrüstung nimmt immer mehr zu. Fahrradfahren ist zum Lifestyle-Thema geworden – und bei Rose Bikes haben sie das schon früh erkannt.

„Heute haben alle den Anspruch, professionelles Equipment zu haben – das kennt man ja auch von anderen Sportarten“, sagt Tim Böker. Im Online-Shop, über den inzwischen ein Großteil des Umsatzes erzielt wird, bietet das Unternehmen daher inzwischen auch Tausende Bekleidungsartikel an. Speziell bei Sportlern ist Rose beliebt. Künftig will das Unternehmen aus Bocholt aber auch andere Zielgruppen ansprechen. Rose Bikes hat daher zuletzt auch eine Kooperation mit dem Modelabel Drykorn bekannt gegeben. Gemeinsam will man Fahrradkleidung entwickeln, die man auch im Büro tragen kann.

Der Umsatz, der im vergangenen Jahr um 34 Prozent auf 137,1 Millionen Euro stieg, soll so schon bald die 200-Millionen-Marke knacken. Gemessen am Gesamtumsatz der Branche, den der ZIV auf rund zehn Milliarden Euro schätzt, ist das immer noch wenig. Doch der Markt ist zersplittert: Eine Art Volkswagen der Fahrradbranche, um im von Bröker verwendeten Bild zu bleiben, gibt es aktuell nicht.

Rose Bikes will das ändern – und geht dazu auch ungewöhnliche Schritte. So setzt die Familie Rose inzwischen mit Tim Böker oder auch Vorstandschef Marcus Diekmann auf familienfremde Manager, deren Wurzeln nicht mal in der Fahrradbranche liegen. So hat Bröker vor seiner Zeit bei Rose Bikes eine Internetagentur in Essen geleitet, mit der Rose Bikes über Jahre zusammengearbeitet hat. Das Unternehmen ist schon Ende der 1990er-Jahre mit einem eigenen Online-Shop im Internet präsent gewesen, nachdem man jahrelang auf einen Versandkatalog gesetzt hatte.

Irgendwann entstand die Idee, die Unternehmen zu fusionieren, um noch gezielter an der digitalen Transformation arbeiten zu können. Um zu gucken, ob das auch menschlich passt, buchte Rose offenbar einfach das gesamte Team von Bökers Agentur für mehrere Monate – und am Ende machte man gemeinsame Sache. „Rose hat uns von der Idee begeistert, gemeinsam an der Zukunft der Mobilität zu arbeiten“, sagt Böker.

Inzwischen haben die Geschäfte von Rose Bikes wieder geöffnet. Doch die Erkenntnisse des vergangenen Jahres will man auch in Zukunft nutzen. Den Testfahr-Lieferservice kann sich Böker jedenfalls auch in Zukunft vorstellen: „Wir müssen da sein, wo der Kunde ist.“

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