Bilfinger stößt Tiefbau ab Roland Koch will nur noch in die Höhe bauen

Mannheim · In Mannheim wird eine Zeitenwende eingeleitet: Bilfinger-Chef Roland Koch will den schwächelnden Tiefbau loswerden. Ein weiterer Schritt weg vom Baukonzern - und der Abschied von den Konzernanfängen.

 Roland Koch baut Bilfinger um.

Roland Koch baut Bilfinger um.

Foto: dpa, Uwe Anspach

Mit dem Tiefbau ging bei der heutigen Bilfinger SE 1880 alles los. Inzwischen ist der Bau zum Beispiel von Brücken und Fundamenten das Sorgenkind von Konzernchef Roland Koch. Jetzt reicht es dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, der seit 2011 im Amt ist: Er will wesentliche Teile des Tiefbaugeschäfts abstoßen, wie der 56-Jährige am Donnerstag auf der Hauptversammlung in Mannheim den Aktionären ankündigte.

Es gab einige überraschte Gesichter - dabei war abzusehen, dass eine größere Entscheidung bevorstand. Das operative Ergebnis im Segment Bau war im Geschäftsjahr 2013 von 25 Millionen Euro auf eine Million Euro gesunken. Koch hatte schon im Februar gesagt: "Wir können solche Zustände nicht akzeptieren, sondern werden sie ändern."

Es ist ein großer Schritt für ein Unternehmen, das rund 120 Jahre lang ein Baukonzern war - und das viele immer noch vor allem mit Bau in Verbindung bringen. "Das ist uns im Vorstand in der Diskussion nicht leicht gefallen", beteuert Koch vor den Aktionären. "Dieses Geschäftsfeld hat sehr zur Reputation und auch zum Wohlstand unseres Unternehmens beigetragen." Die wirtschaftlichen Ziele seien aber meist verfehlt worden - "trotz erheblicher Anstrengungen".

Analysten begrüßen den Schritt. "Es hat lange gedauert, weil es ein Kernbereich des Unternehmens ist, war aber sicherlich strategisch die richtige Entscheidung", sagt Ingbert Faust von der Equinet Bank. "Es war über Jahre ein Bereich, der immer wieder unliebsame Überraschungen gebracht hat."

Aktionäre irritiert

Die Aktionäre reagieren teils mit Unverständnis auf die Entscheidung. "Das scheint mir ein Geschäftsfeld zu sein, das man durchaus noch hätte auf Kurs bringen können", sagt einer. Und ein anderer fragt: "Kann man vielleicht das klassische Baugeschäft einfach nicht mehr?"

Die Entwicklung weg vom Bau hin zu Dienstleistungen wie Wartungen rund um Industrieanlagen, Kraftwerke und Immobilien ist schon länger im Gange. Dieses Geschäft spült mehr in die Kassen als der klassische Bau. "Im Vergleich zu anderen Branchen ist das Baugeschäft ein sehr ertragsschwaches Geschäft", erläutert ein Unternehmenssprecher. "Das war schon immer so. Und das war früher kein Problem." Inzwischen sei aber das Umfeld ein anderes: Zum einen hätten sich die Anforderungen an börsennotierte Aktiengesellschaften sehr gewandelt. Zum anderen hänge es immer weniger von Qualität ab, wer einen Bauauftrag bekomme. "Der Billigste baut."

Das Baugeschäft sei zudem sehr risikoreich, nicht nur wegen der starken Abhängigkeit vom Wetter, sondern auch, weil es im Bau keine Massenproduktion gebe und jedes Mal ein Unikat gefertigt werde. Koch zufolge ist ein Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt "die richtige und verantwortungsvolle Antwort". Bilfinger hatte 2002 begonnen, sich umzubauen. Zuletzt machte das Baugeschäft nach Unternehmensangaben noch rund 12 Prozent der Leistung aus. Diese enthält im Baugeschäft neben den Konzernumsätzen auch Einnahmen aus dem projektbezogenen Zusammenschluss mit anderen Unternehmen.

Künftig ist das Baugeschäft bei Bilfinger nun endgültig nur noch eine Randerscheinung. Es soll gar nicht mehr einzeln ausgewiesen werden. Vollständig hängt Koch den Bau aber nicht an den Nagel: Am Hochbau will er festhalten. "Auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung jetzt sicherlich zu lesen und zu hören sein wird, Bilfinger gebe "den Bau" auf, so will ich doch betonen: Wir sind und bleiben eines der größten deutschen Hochbauunternehmen", sagte er vor den Aktionären.

(dpa)
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