Berlin Rekord-Überschüsse trotz Flüchtlingen

Berlin · Die Botschaft führender Wirtschaftsforscher ist klar: Deutschland kann sich seine Asyl-Politik leisten.

Obwohl Deutschland auch in den kommenden Jahren hunderttausende Flüchtlinge wird aufnehmen müssen, wird es im Bundeshaushalt weiterhin Überschüsse geben. Davon gehen zumindest führende Wirtschaftsforscher in Deutschland aus.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet vor dem Hintergrund erwarteter Flüchtlingskosten und geplanter Steuerentlastungen im kommenden Jahr zwar mit einem deutlichen Rückgang des Überschusses im Staatshaushalt. Nach einem für 2015 erwarteten Überschuss von rund 20 Milliarden Euro rechnet das RWI für 2016 aber immerhin noch mit einem Überschuss von acht Milliarden Euro.

Nach einer Schätzung der Forscher könnten die Gesamtausgaben für Flüchtlinge allein in diesem Jahr bei rund zehn Milliarden Euro liegen. Darin enthalten seien aber auch die Ausgaben für Altfälle, so dass es nicht nur um den Zuzug neuer Flüchtlinge gehe. "Das ist eine Belastung, die man sich als reiches Land leisten kann" , sagte RWI-Forscher Roland Döhrn. Vor dem Hintergrund der erwarteten demografischen Probleme in Deutschland könne sich der Flüchtlingsandrang sogar als "Chance" erweisen.

Auch die Konjunkturabkühlung in China wird nur geringe Auswirkungen auf die deutsche Konjunkturentwicklung haben, schätzen die Wirtschaftsforscher, aber auch die Bundesregierung. Die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) erwarten in der gestern vorgelegten Prognose wie ihre Kollegen vom RWI Essen und IWH Halle ein Plus von 1,8 Prozent in diesem Jahr. Damit wird die Vorjahreszahl von 1,6 Prozent leicht übertroffen. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält dies weiterhin für realistisch: "Die deutsche Wirtschaft ist auf einem soliden Wachstumspfad." Die Beschäftigung liege weiter auf Rekordniveau.

Da China das Turbowachstum der vergangenen Jahre nicht mehr durchhalten kann, ist es aus Furcht vor einer harten Landung der dortigen Wirtschaft im Sommer zu Turbulenzen an den Börsen gekommen. Dies hatte auch in Deutschland Sorgen aufkommen lassen, dass die hiesige Konjunktur darunter leiden könnte: Die Volksrepublik ist der viertgrößter Absatzmarkt für Waren "Made in Germany".

Das IfW geht dennoch davon aus, dass der deutsche Export weiter kräftig zulegen wird, weil sich die Konjunktur in der Euro-Zone erholt und der Aufschwung in den USA festigt. Die konjunkturelle Entwicklung dürfte damit noch mehr Fahrt aufnehmen: "Die deutsche Wirtschaft expandiert nach und nach in die Hochkonjunktur." Dies ist nach gängiger Definition eine Hochphase im Auf und Ab der Wirtschaft, in der etwa Vollbeschäftigung herrscht.

Während die Bundesregierung auch für nächstes Jahr einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 1,8 Prozent erwartet, rechnen die Kieler Forscher sogar mit einem Plus von 2,1 Prozent. Auch die stärkere Kauffreude der Verbraucher wird die Wirtschaftsleistung demnach anheizen, da sich die Einkommen wohl spürbar erhöhen dürften. Nach einem Anstieg von zwei Prozent im laufenden Jahr werde der private Konsum 2016 voraussichtlich mit 2,3 Prozent und 2017 mit 2,2 Prozent so kräftig zulegen wie in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr, prognostizieren das IfW.

Von der guten Konjunktur profitiert auch der Staat: Der Budgetüberschuss wird nach Einschätzung des Instituts 2015 mit 29,1 Milliarden Euro den höchsten, jemals im wiedervereinigten Deutschland, gemessenen Wert erreichen.

Mittel- bis langfristig dürften auch die vielen jungen Zuwanderer die Sozialsysteme weiter entlasten, sagen die Forscher in ihrer am Donnerstag vorgelegten Herbstprognose voraus. Dazu sei es allerdings nötig, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Chancen hierfür stehen laut dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung nicht schlecht - auch wegen des demografischen Wandels. Die gestiegene Zahl offener Stellen zeige, dass es für Unternehmen schwierig sei, geeignete Arbeitskräfte zu finden.

(dpa/rtr)
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