Essen Quelle-Erbin belastet Middelhoff

Essen · Madeleine Schickedanz verlor durch die Arcandor-Pleite große Teile ihres Milliardenvermögens. Im Prozess gegen den Ex-Konzernchef Thomas Middelhoff bestreitet sie, dass sie Kosten für Privatflüge des Managers übernehmen wollte.

Madeleine Schickedanz ist die Tochter von Gustav Schickedanz, dem Mann, der die deutsche Versandhandelsbranche nachhaltig prägte und Quelle zum Imperium machte. Sie erbte ein Milliardenvermögen, sie war eine der reichsten Frauen Deutschlands, sie war und ist Großaktionärin der Arcandor AG.

Wer Madeleine Schickedanz gestern im Sall 101 des Essener Landgerichts erlebt hat, spürt davon nichts. Die 70-Jährige wirkt extrem scheu und unsicher, als sie den Raum betritt, in dem sie als Zeugin im Untreue-Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff aussagen soll. Der hat laut Anklage unter anderem Arcandor mit Kosten für Flüge belastet, die er aus eigener Tasche hätten zahlen müssen.

Schickedanz bestreitet, dass sie dem damaligen Arcandor-Chef sozusagen einen Freiflugschein für die Nutzung von Privatfliegern auf ihre Kosten ausgestellt habe. Damit belastet sie den Angeklagten, der genau das behauptet hat. "Wie käme ich dazu?", sagt Schickedanz, "es gab keine Vereinbarung, und es wäre aus meiner Sicht auch nicht gerechtfertigt." Lediglich in einem Fall, in dem es eine Bombendrohung gegen eine Maschine (in der Middelhoff saß) gegeben habe, hätten sie und ihr Ehemann Leo Herl auf Druck des Vermögensverwalters Josef Esch der Nutzung einer privaten Chartermaschine zugestimmt. Dass Middelhoff, wie er zu Beginn des Prozesses ausgesagt hat, auf Bitten der Großaktionärin nach dem Vorfall auf dem Weg nach London generell "aus Sicherheitsgründen" bei dienstlichen und privaten Reisen nur Privatjets nutzen sollte, dass Schickedanz zugesagt habe, die Kosten zu tragen - nein, das sei so nicht gewesen, beteuert die Zeugin.

Das ist der klarste Teil in der Aussage von Madeleine Schickedanz. Sie spricht mit Pausen, ihre Stimme klingt bisweilen brüchig, die Vernehmung ist mühsam. Die Quelle-Erbin vermittelt das Bild einer Frau, die in finanziellen und vertraglichen Angelegenheiten erschreckend hilflos wirkt. Sie zeichnete offenbar bedenkenlos Dokumente ab, die ihr Vermögensverwalter Esch präsentierte, aber sie las sie nicht. "Ich habe leider viel unterschrieben, was Herr Esch mir vorgelegt hat", sagt die Quelle-Erbin heute. 2004, als die Banken die Kreditlinien für KarstadtQuelle nicht mehr verlängern wollten, fühlte sich sich von Esch und dem Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim zur Kapitalerhöhung quasi genötigt. Die wurde mit Krediten von Sal. Oppenheim finanziert. "Danach waren wir abhängig von der Bank und Esch", sagt Schickedanz' Ehemann Leo Herl.

Bei seiner Frau klingt die Beschreibung des Verhältnisses zu Esch beinahe wie sklavische Ergebenheit. Aus der heraus unterzeichnete sie offenbar auch eine Art Geheimvertrag, in dem 2005 die Übernahme von KarstadtQuelle vorbereitet werden sollte. Schickedanz sollte ein Drittel an der neuen Gesellschaft namens Neos halten, eine Gruppe um Esch, Sal. Oppenheim und die Allianz ein weiteres Drittel, für den Rest sollte Middelhoff einen Investor besorgen. Und wenn es ihm dann gelingen sollte, mit Aktienverkäufen aus dem Schickedanz-Anteil 500 Millionen Euro zu erlösen, sollte er auch noch 20 Prozent Prämie kassieren. Schickedanz, die sich für den Kauf von Arcandor-Anteilen zuvor mehr als 100 Millionen Euro geliehen hatte, hoffte so von ihrem gigantischen Schuldenberg herunterzukommen.

Dass es Gedankenspiele um die Millionenprämie für den Manager schon beim ersten Aufeinandertreffen 2004 - also vor Middelhoffs Amtsantritt bei Arcandor - gab, scheint auch nach Herls Aussage sicher. Dass Schickedanz den im "Rotterdamer Papier" fixierten Neos-Deal (der nie zu Geltung kam, weil sich nie ein Investor fand) am Flughafen in Rotterdam unterschrieben haben soll, daran erinnert sich Schickedanz auch. Aber eben nicht an Details des Kontraktes. Sie sei von der Universitätsklinik in Leiden, wo ihre Tochter gerade ein Kind geboren habe, nach Rotterdam zur Unterzeichnung gefahren, nachdem "der Herr Esch das angeordnet hatte". Angeordnet sagt sie, die Eigentümerin des Vermögens, über den Mann, der ihr Dienstleister sein sollte. Grotesk.

(RP)
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