Nach Beschwerdewelle Post plant Aufschläge für pünktliche Briefe
Bonn · Die Post will bei Briefen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Schnellläufern und nur lahm zugestellten Schreiben. Das wäre „eine heimliche Preiserhöhung“, kritisiert die NRW-Verbraucherzentrale.
Die Deutsche Post möchte bei Briefen gerne ein Zwei-Klassen-System einführen. Nachdem es in diesem Sommer massenhaft Beschwerden gab, weil der Konzern in Deutschland sehr viele Briefe deutlich zu spät zugestellt hatte, schlägt die für das Deutschland-Geschäft zuständige Vorständin Nikola Hagleitner vor, die bisher straffen Zeitvorgaben für die Zustellung zu lockern. „Wir sollten überlegen, ob wir den Kunden die Wahl der Laufzeit überlassen“, sagte sie gegenüber der FAZ. Die Kunden „können dann entscheiden, ob ihnen eine besonders schnelle Zustellung einen Aufpreis wert ist oder ob die Briefe auch etwas länger unterwegs sein dürfen.“
Mit dem Vorschlag will der gelbe Riese die bisherige Vorgabe kippen, dass 80 Prozent der Briefe am nächsten Tag zugestellt werden müssen und 95 Prozent bis zum zweiten Tag. Wie es dann künftig laufen könnte, zeigt sich in Hagleitners Heimatland Österreich. Dort kostet ein „Eco-Brief“ nur 0,81 Euro, wird aber erst nach zwei oder drei Werktagen zugestellt. Briefe bis zu 20 Gramm, die als „Prio-Brief“ direkt am nächsten Tag beim Empfänger landen sollen, kosten dagegen einen Euro.
In der Schweiz gibt es ein vergleichbares System mit A-Post, die 1,10 Franken kostet und B-Post, die nur 0,90 Franken kostet. Die Schweiz und Österreich sind beides sehr kleine Länder, in denen eine schnelle Zustellung eigentlich leichter sein müsste als in Deutschland.
Wolfgang Schuldzinski, Chef der NRW-Verbraucherzentrale, sieht die Pläne der Post kritisch. Aktuell koste ein Brief in Deutschland 0,85 Euro und beinhalte eben ein gewisses Qualitätsversprechen. Wenn aber künftig ein Aufpreis für die Zustellung am nächsten Tag fällig würde, sei das „nichts weiter als eine versteckte Preiserhöhung.“
Der gelbe Riese sieht die Zusammenhänge anders. Wenn der Konzern sich für die meisten Briefe mehr Zeit lassen könnte als bisher, könnte er weitgehend auf umweltschädliche und teure Nachtflüge verzichten. Der Vorstand weist auch darauf hin, dass zeitkritische Informationen häufig digital übermittelt werden. Die Bundesnetzagentur meint dagegen: „Die digitale Post kann den analogen Brief im Moment nicht vollständig ersetzen.“ Es gäbe „das berechtigte Interesse, dass Briefe regelmäßig und schnell befördert werden.“ Das gelte etwa für wichtige persönliche Schreiben oder behördliche und geschäftliche Sendungen. Eine kurze Laufzeit von Briefsendungen - das belegten auch Umfragen - sei den Menschen sehr wichtig.
Die Netzagentur meint auch, man könne über die strengen Laufzeitvorgaben reden. Es müsse untersucht werden, welche Folgen eine Reform habe. Postchef Frank Appel hatte schon am 9. November gesagt, er würde die bisherigen Zustellregeln gerne lockern.