Der Kampf gegen die Krise in Lissabon Portugals Ritt auf Messers Schneide

Lissabon · Mit der stillen Leidensfähigkeit der Portugiesen ist es im Jahr drei der nationalen Schuldenkrisen vorbei. In Massen strömen die Menschen auf die Straße, um gegen den harten Sparkurs der Regierung aufzubegehren.

Dabei ist an Tagen ohne Proteste von der Krise im Zentrum der Hauptstadt wenig zu spüren: geschäftiges Treiben auf der Avenida da Liberdade, der Edel-Einkaufsmeile mit ihren Luxusboutiquen. Große Limousinen schlängeln sich durch das irreführende Straßenlabyrinth. Nur vereinzelt sieht man Bettler. Stutzig machen jedoch die Plakate der Kommunisten, transportieren sie doch eine eindeutige Botschaft: "Troika rua" ("Troika raus!").

Die Kontrolleure von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds sind zum Feindbild Nummer eins avanciert. 78 Milliarden Euro umfasst das dreijährige Hilfspaket, das Portugal im Sommer 2011 vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrte und die Banken des Landes rettete. Doch im Gegenzug musste die Regierung harte Auflagen akzeptieren und ein Programm auf den Weg bringen, das selbst die Wirtschaftsverbände als "brutal" geißeln: Der Arbeitsschutz wurde aufgeweicht, die Arbeitslosenhilfe gekürzt, Abfindungszahlungen wurden gekappt, drei Urlaubs- und vier Feiertage gestrichen, Staatsbetriebe privatisiert und vor allem die Umsatz- und Einkommensteuern erhöht.

Eugénio da Fonseca, Präsident der Caritas Portugal, ein runder, freundlicher Mann, der seine Worte wohl wägt, beschreibt die Folgen des Programms so: "Die Nachfrage nach Antidepressiva ist deutlich gestiegen", sagt er. "Ebenso die Zahl der Selbstmorde." Fonseca berichtet von Menschen, die ihre Gas-, Wasser- und Stromrechnung nicht mehr bezahlen könnten, die auf Suppenküchen angewiesen sind. Wer jung ist, sucht angesichts einer Arbeitslosenquote von 17,4 Prozent sein Glück im Ausland — in der früheren Kolonie Angola gibt es schon mehr als 100 000 Exil-Portugiesen.

Und die Belastungen für die reformmüden Daheimgebliebenen werden steigen. Die Mitte-rechts-Regierung von Premier Pedro Passos Coelho wird in den kommenden drei Wochen den Haushalt 2014 durchs Parlament boxen, der weitere schmerzhafte Maßnahmen enthält. Nur so kann das Land das mit der Troika vereinbarte Ziel erreichen: Das Defizit darf 2014 nur noch vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Die Federführung für das Budget hat Finanzministerin Maria Luís Albuquerque, eine junge, eloquente Ökonomin. Seit Juli ist sie Hausherrin im Ministerium mit dem Blick auf die Mündung des Tejo.

"Maßnahmen werden Bevölkerung hart treffen"

"Die anstehenden Maßnahmen werden einen Teil der Bevölkerung hart treffen, aber eben nur einen Teil", sagt sie und meint neben den künftigen Rentnern, die erst mit 66 statt bislang 65 Jahren in den Ruhestand gehen können, vor allem die ehemals rund 800.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Rund 70 Prozent des Staatshaushalts machen die Löhne und Gehälter, Pensionen und Sozialabgaben für die Staatsdiener aus. Mit als Umschulung getarnten niedrigeren Eingruppierungen oder dem Auslaufen befristeter Arbeitsverträge sollen Geld gespart und der Apparat entschlackt werden. "Die Krise war wie ein Weckruf. Sie zwingt uns, wichtige Entscheidungen zu treffen", meint Poiares Maduro, Minister für Regionalentwicklung. Dank der langsamen wirtschaftlichen Beruhigung — die sich etwa in den anziehenden Exporten manifestiert — könnten nun echte strukturelle Reformen angegangen werden.

Problem nur: Wie soll das geschehen, wenn der Reformwille der Bevölkerung erlahmt? Denn bis die Menschen die ersten positiven Entwicklungen selbst spüren, wird es noch dauern — dafür mangelt es bislang noch an Arbeitsplätzen und internationalen Investoren.

Armando Farias, Vorstandsmitglied der kommunistischen CGTP, ist ein Gewerkschafter, wie er im Buche steht — dunkler Schnäuzer, finstere Miene: Der Schuldendienst sei inzwischen größer als der Etat für Gesundheit und Bildung, poltert er. "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir die Schulden einfach nicht mehr zurückzahlen können." Da ist es wieder, das Gespenst des Schuldenschnitts. Und auch der Euro-Austritt werde immer offener diskutiert — viel mehr als eine Drohung dürfte das jedoch nicht sein.

Denn noch bekennt sich auch die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische PS, zu den Zielen der Troika, wie ihr Generalsekretär António José Seguro versichert. Muss er auch, hat seine Partei das Programm doch selbst auf den Weg gebracht, ehe sie abgewählt wurde. Doch 2014 stehen Europa-Wahlen an, und Seguro will von der Reformmüdigkeit der Wähler profitieren. So kündigt er schon Verfassungsklage gegen einen Teil der geplanten Regierungs-Maßnahmen an. Reformunwille bei der Bevölkerung, eine erwachende Opposition und die Troika im Nacken — die Arbeit der Regierung dürfte kurz vor Auslaufen des Hilfsprogramms Mitte 2014 noch schwieriger werden.

Drei Möglichkeiten für Mitte 2014

Wenn Mitte 2014 die Troika-Hilfen für Portugal auslaufen, gibt es drei Optionen: vollständige Rückkehr an die Finanzmärkte, ein weiteres vollwertiges Hilfsprogramm oder einen abgespeckten Rettungsschirm nur für den Notfall. Noch schweigt sich die Regierung über diese Optionen aus.

(maxi)
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