Volkswagen Piëch steigt aus

Stuttgart · Der Patriarch hat den Volkswagen-Konzern so stark geprägt wie kaum ein anderer. Nach einem verlorenen Machtkampf zieht er sich nun endgültig zurück und verkauft seine Anteile an die Familie - nur für welchen Preis?

Diese Bilder gehören wohl bald der Vergangenheit an: Ein blauer Porsche mit Salzburger Kennzeichen rollt vergangenen Mittwoch in Stuttgart zur Aufsichtsratssitzung des Volkswagen-Großaktionärs Porsche SE vor. Es sind knapp 380 Kilometer zwischen der Landesmetropole und der österreichischen Mozartstadt. Ferdinand Piëch, mit schwarzem Hut, hat auf dem Beifahrersitz Platz genommen, am Steuer sitzt seine Frau Ursula.

Piëch, der Patriarch und langjährige Volkswagen-Aufsichtsratschef, wird seine Anteile an der Porsche SE verkaufen - und damit seinen Einfluss auf den Volkswagen-Konzern, der ein Stück weit sein Lebenswerk ist, aufgeben. Es ist das vorläufige Ende eines Machtkampfes um die Vorherrschaft im größten Autokonzern der Welt. Gestern gab die Porsche SE bekannt, dass sich die Familien Porsche und Piëch mit Ferdinand Piëch auf einen Preis für den Großteil der in Privatstiftungen gebündelten Anteile geeinigt hätten. Mit 14,7 Prozent der Stammaktien war der "Alte", wie sie ihn in Wolfsburg bis heute nennen, größter Einzelaktionär der Porsche SE.

Gestern wurden die Verträge unterzeichnet, unklar ist, welchen Preis die Verwandten, die ein Vorkaufsrecht hatten, bezahlen - und wer welche Anteile übernimmt. Das Aktienpaket hatte einen Wert von rund 1,1 Milliarden Euro. Künftig dürfte der Anteil von Piëch, der mit seiner Ferdinand Karl Beta Privatstiftung an der Porsche SE beteiligt bleibt, schätzungsweise bei unter einem Prozent liegen. Unklar ist, warum er den Mini-Anteil behält.

Nur noch eine Frage der Zeit scheint es hingegen zu sein, dass der 79-Jährige auch seinen Aufsichtsratsposten aufgibt. Beim Treffen am vergangenen Mittwoch wurde die Entscheidung nach Informationen der "Bild" noch vertagt. Gestern gab die Porsche SE überraschend bekannt, dass der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrates beschlossen hätte, "Hon.-Prof. Dr. techn. h.c. Ferdinand Piëch" noch für die Wahl des kommenden Aufsichtsrates vorzuschlagen.

Angehören dürfte er dem Gremium allerdings lediglich bis zum endgültigen Vollzug des Verkaufs - noch steht dieser unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Aufsichtsbehörden mehrerer Länder. Die Hauptversammlung findet am 30. Mai in Stuttgart statt.

Mit dem Verkauf zieht Ferdinand Piëch, der seit 1981 in dem Kontrollgremium sitzt, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag am Ostermontag einen Schlussstrich. Jahrzehntelang war er einer der wichtigsten Akteure in der Autobranche. Er war Vorstandschef von Audi und dann Volkswagen, 2002 rückte er an die Spitze des VW-Aufsichtsrats. Nach einem internen Machtkampf mit dem damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn legte Piëch im April 2015 alle seine VW-Ämter nieder. Nur das Aufsichtsratsmandat bei der Porsche SE blieb ihm.

An der Spitze dieses Kontrollgremiums sitzt Piëchs Cousin Wolfgang Porsche. Familienintern kam es zu Spannungen. Erst kürzlich sagte Porsche auf dem Genfer Autosalon, Familie könne man sich nicht aussuchen. Medienberichten zufolge sollen Familienmitglieder geplant haben, Piëchs Aufsichtsratsmandat nicht zu verlängern. Daraufhin bot dieser seinen Verwandten Mitte März Aktien zum Kauf an.

"Für uns ist es sicherlich gut, dass es eine Entscheidung gibt", sagte ein VW-Sprecher. Nun gebe es Klarheit. Endgültig Ruhe dürfte in den Konzern jedoch nicht einkehren: Wenige Stunden, bevor der Piëch-Deal verkündet wurde, teilte das Oberlandesgericht Braunschweig mit, dass Anfang 2018 die ersten mündlichen Verhandlungen im Musterverfahren von VW-Aktionären im Abgasskandal beginnen. Die Anleger werfen dem Konzern vor, zu spät über die Manipulationen bei Diesel-Motoren informiert zu haben. Es geht bei den Klagen um Milliarden-Summen - das Verfahren dürfte das Unternehmen noch Jahre beschäftigen.

(frin)
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