Peking

Peking · Wenn Chinas Führer ausländische Staatsgäste treffen, dürfen Journalisten nur wenige Minuten lauschen. Meist bekommen sie nur freundliche, belanglose Floskeln zu hören. So war es auch gestern, als Premierminister Li Keqiang Kanzlerin Angela Merkel in der Großen Halle des Volkes willkommen hieß. Er lobte ihren elften Besuch in China.

Merkel dagegen kam gleich zur Sache. Beide Seiten seien in ihren Beziehungen so eng, dass sie nicht nur offen miteinander redeten, sondern auch gemeinsam nach Lösungswegen suchten. Merkel nannte die Menschenrechts-Probleme. Sie erlaubte sich, ohne den Gastgeber zu verprellen, die Mahnung: "Wir müssen aufpassen, auch alles ausfüllen zu können, was wir vereinbaren."

Auf ihren Peking-Reisen hat die Kanzlerin gelernt, dicke Bretter zu bohren. Doch einige Gräben sind unüberbrückbar. Als ein Journalist Chinas Premier nach dem Schicksal der seit acht Jahren unter Hausarrest stehenden Liu Xia fragte, der Witwe des verstorbenen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, antwortete Li ausweichend: Humanität sei für China ein "großes Anliegen". Als der chinesische Sender Phönix eine Aufzeichnung der Pressekonferenz sendete, blendete er die Frage nach Liu Xia einfach aus.

Abseits dessen hat der China-Besuch Merkels vor allem wirtschaftliche Schwerpunkte. Er soll eine gemeinsame Kabinettssitzung beider Regierungen am 9. Juli in Berlin vorbereiten, auf der Wirtschaftsverträge und die Zusammenarbeit bei neuen digitalen Projekten wie dem autonomen Fahren vereinbart werden sollen. Aber auch bei dem mit Unternehmern beider Länder besetzten beratenden Wirtschafts-Ausschuss wurden Differenzen sichtbar. Merkel lobte trotzdem am Ende die offenherzige Aussprache als "emanzipiert und selbstbewusst"; ein Teilnehmer sagte, dass die sich sonst zurückhaltenden Firmenchefs "diesmal Klartext sprachen". Das galt auch für die Kanzlerin. Deutsche Unternehmer sollten in China gleichberechtigten Zutritt zum Markt haben, so, "wie wir ihn Zuhause auch geben, denn ansonsten wird es dazu führen, dass wir China gegenüber auch Einschränkungen und vielleicht zu viele Einschränkungen machen, und das wäre nicht gut." Andererseits beschweren sich auch chinesische Unternehmen, Banken in Deutschland etwa. Sie fühlten sich benachteiligt und überreguliert.

Merkel kritisierte zugleich die "zu vielen vagen Formulierungen" im umstrittenen Cybersecurity-Gesetz, die Missbrauch ermöglichten. Darunter fallen der Zwang zur lokalen Datenspeicherung und zur Offenlegung von Sicherheitsstandards. Daten, "der Rohstoff der Zukunft", müssten sicher sein. "Wir haben nie verlangt, Quellcodes gegenüber Dritten offen zu legen" sagte darauf Premier Li, "das ist ein totales Missverständnis." Es war das erste öffentliche Versprechen, dass Peking nicht versuche, mit Hilfe des neuen Gesetzes an die Verschlüsselungstechnologien und die Software ausländischer Firmen zu kommen.

(RP)
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