Berlin/Mönchengladbach Patienten müssen Ärzte-Fehler nachweisen

Berlin/Mönchengladbach · In Kliniken und in Praxen führen am häufigsten Operationen zu Patientenbeschwerden über ärztliche Kunstfehler. Auch der Mönchengladbacher Michael Schmitz wurde Opfer eines Behandlungsfehlers. Eine Notoperation rettete sein Leben.

Berlin/Mönchengladbach: Patienten müssen Ärzte-Fehler nachweisen
Foto: Reichartz,Hans-Peter

Eine Woche lang quälten Michael Schmitz 2006 die Magenschmerzen. Der damals 30-jährige Mönchengladbacher bekam Fieber, Durchfall und musste sich immer wieder erbrechen. Er ließ sich von seiner Frau ins Krankenhaus fahren, wo man eine Magen-Darm-Grippe diagnostizierte und ihn am nächsten Tag wieder nach Hause schickt. Auch sein Hausarzt und ein Gastroenterologe erkennen nicht, wie ernst es um den damals 30-Jährigen zu diesem Zeitpunkt bereits steht. Hätte seine Frau ihn nicht zum Notarzt gefahren — Michael Schmitz würde heute wohl nicht mehr leben. Denn Schmitz hatte keine Magen-Darm-Grippe, sondern eine Dickdarm-Entzündung mit einem Loch im Darm. Noch in der Nacht wurde er im Bethesda-Krankenhaus notoperiert, lag mehrere Tage im Koma.

"Ich hatte direkt das Gefühl, dass etwas schiefgelaufen ist", sagte Sabrina Schmitz. Sie wendete sich an ihre Krankenkasse. Es war die erste Anlaufstelle, die dem Paar in den Sinn kommt. Die AOK Rheinland schaltete die Ärztekammer ein, die einen Behandlungsfehler feststellt. Schmitz nahm sich einen Anwalt.

Der Mönchengladbacher ist eine Ausnahme. Nur etwa ein Drittel aller Beschwerden über ärztliche Kunstfehler werden am Ende auch tatsächlich als Fehlleistung der Ärzte anerkannt. Dies gilt sowohl für die Verfahren der Bundesärztekammer wie auch für die Fälle, die beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen ankommen. Zu den Verfahren, die direkt über die Versicherungen oder über Gerichte laufen, gibt es keine gesicherten Daten.

Warum es viel häufiger zu Beschwerden als zu echten Kunstfehlern kommt, erklärt Elisabeth Goetz mit "schlechter Kommunikation". Goetz ist Narkose-Ärztin und arbeitet als Geschäftsführerin der Unabhängigen Patientenberatung Bremen. Wenn Ärzte zu wenig erklärten, würden Patienten rasch den Verdacht schöpfen, die Mediziner hätten etwas zu "vertuschen". Dann stelle sich bei den Patienten Wut und das Gefühl von Ohnmacht ein.

Patienten, die einmal Verdacht geschöpft haben, wenden sich häufig an Patientenberatungsstellen, Verbraucherzentralen, Krankenkassen oder auch die Schlichtungsstellen der Ärztekammern. Manch einer schaltet gleich einen Anwalt ein.

Medizinerin Goetz wirbt sogar ausdrücklich darum, dass die Patienten sich Hilfe holen sollen. "Wenn Sie den Verdacht haben, falsch behandelt worden zu sein, wenden Sie sich an die Schlichtungsstelle." Den Ärzten wiederum rät sie, häufiger mit ihren Patienten zu sprechen und im Streitfall sogar selbst die offizielle Schlichtung anzubieten. Sie ist für Patienten und Ärzte kostenfrei.

Michael Schmitz hatte das Gefühl, bei seinem Besuch im Krankenhaus trotz starker Symptome nicht ernst genommen zu werden. Er ist damit ein klassisches Beispiel für einen Behandlungsfehler. Ein solcher wird grundsätzlich anerkannt, wenn ein Arzt nicht sorgfältig oder nicht nach den vorgeschriebenen Standards gearbeitet hat. Selbst die unzureichende Aufklärung der Patienten kann als Kunstfehler gewertet werden.

Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, sind die Patienten in der Pflicht nachzuweisen, dass an ihnen ein Behandlungsfehler begangen wurde. Dafür haben sie das Recht, ohne Verzögerung Einblick in die Dokumentationen über ihre Behandlung zu erhalten. Seit Inkrafttreten des Patientenrechte-Gesetzes stehen sie nicht mehr alleine da: Die Krankenkassen sind nun gesetzlich verpflichtet, Patienten bei solchen Verfahren zu unterstützen. Die meisten Streitfälle zwischen Arzt und Patient werden außergerichtlich beigelegt. Anspruch auf Schmerzensgeld können Patienten auch ohne Richterspruch erhalten.

So war es auch bei Michael Schmitz. Um einen langwierigen Prozess zu vermeiden, einigte er sich mit dem Krankenhaus mit Hilfe des Anwalts außergerichtlich auf ein Schmerzensgeld. Doch auf die Summe kam es dem Mitarbeiter eines Sanitätshauses gar nicht an: "Ich wollte einfach nur mein Recht. Ich wollte beweisen, dass ich kein Simulant bin." Heute geht es ihm wieder gut. Nur manchmal, wenn er Magenschmerzen hat, "da kommt die Panik wieder hoch".

(qua)
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