"Ich setze auf die Vernunft der Tarifparteien" Ost-Streiks: Schröder will rasche Einigung

Berlin/Thessaloniki (rpo). Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht sich hinsichtlich des Arbeitskampfs in der ostdeutschen Metallindustrie zu Appellen genötigt. Der Arbeitskampf solle bald beendet werden.

Er habe kein Verständnis für die gegenwärtige Streikwelle, sagte er am Samstag am Rande des Balkan-Gipfels von Thessaloniki.

Schröder unterstrich: "Die Tarifparteien sollten sich lieber eine Stunde früher als eine später einigen." Er fügte hinzu: "Ich setze auf die Vernunft der Tarifparteien, das Ganze so schnell wie möglich zu beenden." Schröder verwies auf die Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die im derzeitigen Streik nicht sichtbar werde.

Der Streik ist nach Ansicht von Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) eine gezielte Schwächung der ostdeutschen Betriebe. Durch die Arbeitsniederlegung solle die Wettbewerbsfähigkeit in den neuen Bundesländern gezielt zunichte gemacht werden. "Hier wird für die Interessen der westdeutschen Betriebe gestreikt", sagte Milbradt dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Das könne man schon daran erkennen, dass die Blockaden vor allem von westdeutschen Streikposten erfolgten. "Es geht offenbar darum, keine weiteren neuen Arbeitsplätze im Osten entstehen zu lassen."

BMW stoppt Produktion der 3er-Reihe

Beim BMW-Konzern werden an diesem Montag die Bänder in Regensburg und München stillstehen. Wegen der Metaller-Streiks in Ostdeutschland muss der Konzern die Produktion der 3er-Reihe stoppen. Auch an anderen Standorten ist die Fertigung beeinträchtigt. Insgesamt brauchen mehr als 10 000 Beschäftigte gar nicht erst zur Arbeit zu erscheinen. Gut die Hälfte davon ist allein am Stammsitz München betroffen. Der Auto-Bauer muss die Produktion wegen des Streiks beim Getriebezulieferer ZF mindestens bis Mittwoch unterbrechen.

Das VW-Werk in Wolfsburg stellt sich auf Produktionsausfälle bei Golf und Lupo ein. Halte der Arbeitskampf an, würden Ende kommender Woche Teile aus dem ostdeutschen Werk Zwickau für die Produktion fehlen, sagte ein VW-Sprecher.

Gewerkschaften setzen Ultimatum

Unterdessen forderte IG Metall die Arbeitgeber zur sofortigen Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Dazu setzte die Gewerkschaft am Freitag ein Ultimatum bis Mittwoch. Andernfalls sollen die Streiks ausgeweitet werden.

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sagte in einem dpa- Gespräch, zu den schon jetzt spürbaren wirtschaftlichen Einbußen kämen unkalkulierbare psychologische Langzeitwirkungen. "Das wirkt ausgesprochen tief abkühlend auf jedes weitere Engagement in Ostdeutschland. Und es wird künftig gerade im Ausland schwer sein, Investitionsentscheidungen durchzukriegen", betonte er. Kannegiesser wiederholte die Gesprächsbereitschaft der Arbeitgeber, allerdings ohne ein neues Angebot.

Hundt fordert gesetzliches Verbot von Streiks

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt verlangte ein gesetzliches Verbot von Streiks, für die bei der Urabstimmung nur eine Minderheit der Beschäftigten votiert. Hundt sagte der "Bild am Sonntag": "Ein Streik wie in Brandenburg und Sachsen, wo nur acht Prozent der Arbeitnehmer für einen Arbeitskampf gestimmt haben, muss gesetzlich untersagt werden. Es kann nicht sein, dass eine Minderheit ganze Wirtschaftszweige lahm legt."

Der für Aufbau Ost zuständige Bundesminister Manfred Stolpe (SPD) forderte die Tarifparteien auf, den Arbeitskampf in den neuen Bundesländern schnell zu beenden. "Ich mache mir große Sorgen wegen der Zuliefererbetriebe im bestreikten Bereich...Ich appelliere eindringlich an die Tarifparteien, sich jetzt sehr schnell auf Kurt Biedenkopf als Schlichter zu einigen und dann den Konflikt zu beenden."

Clement: Neue Bundesländer verlieren wichtigen Standortvorteil

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte in einem Interview des Nachrichtensenders n-tv, mit der 35-Stunden-Woche würden die neuen Bundesländer einen "wichtigen Standortvorteil" verlieren: "Ich fürchte, das würde Arbeitsplätze kosten. Die Gewerkschaften bestreiten dies, aber ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren".

In einer Urabstimmung entschieden sich die Mitglieder der IG Metall im GKN Gelenkwellenwerk im sächsischen Zwickau für den ausgehandelten Haustarifvertrag. Die Arbeitszeit soll ab April 2005 auf 37 und zwei Jahre später auf 36 Stunden sinken. Ab 1. Januar 2009 werde die 35-Stunden-Woche erreicht sein. Damit ist nach Gewerkschaftsangaben im Konflikt um die Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland in acht sächsischen Unternehmen die Ost-West- Angleichung der Tarifarbeitszeit vereinbart.

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