Nachbar lockt mit Steuerboni Österreich — Paradies für Forscher

Düsseldorf · Mit Steuerboni lockt Österreich immer mehr forschende Unternehmen aus dem Ausland. Inzwischen ist das Land die Nummer zwei der Investoren in die Forschung hinter den USA. Die Wirtschaft klagt: Deutschland hinkt bereits hinterher.

Jessica Kuschnik Düsseldorf Vor mehr als zehn Jahren begannen die Österreicher eine regelrechte Aufholjagd: Immer mehr Geld pumpte das Land in die Forschungsförderung — und ist inzwischen fast auf deutschem Niveau. Betrug der Anteil der Bruttoinlandsaufwendungen für Forschung und Entwicklung (FuE) im Jahr 2000 noch 1,93 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, so waren es 2010 bereits 2,76 Prozent.

Zwar steigert auch Deutschland seine Fördergelder kontinuierlich — 2010 waren es 2,82 Prozent —, doch nicht in solch einem rasanten Tempo. Das allein ist aber nicht der Grund, warum immer mehr ausländische Unternehmen Forschung im Nachbarland betreiben. Vielmehr liegt es an dem österreichischen System der steuerlichen Forschungsförderung.

Prämie unabhängig vom Jahresergebnis

Anders als in Deutschland, wo Gremien darüber entscheiden, welches Unternehmen welche Forschungsgelder erhält, funktioniert das System in Österreich über Steuerboni. Jedes Unternehmen, das die Kriterien erfüllt, erhält unabhängig von seiner Größe eine Forschungsprämie in Höhe von zehn Prozent der Aufwendungen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Die Prämie ist unabhängig vom Jahresergebnis des Unternehmens und wird steuerfrei auf dem Abgabenkonto des Steuerpflichtigen gutgeschrieben. Die Prämie steht daher auch im Verlustfall zu. Laut dem Bundesministerium für Finanzen wurden in Österreich im Jahr 2012 etwa 450 Millionen Euro in Form der Forschungsprämie an Unternehmen unterschiedlichster Branchen ausgezahlt.

Michael Popp, Inhaber und Vorstandschef von Bionorica, das sich auf pflanzliche Arzneimittel spezialisiert hat, nutzt längst die Forschungsprämien der Nachbarn. Der Forschungsaufwand liegt bei 15 Prozent des Umsatzes. "Auf europäischer Ebene sind wir als Mittelständler oft zu klein, um an größere Fördertöpfe zu kommen. Für andere, speziell für kleinere und mittelständische Unternehmen in Aussicht gestellte Forschungsgelder wiederum sind wir oft zu groß. Denn laut EU-Definition müssten wir weniger als 250 Mitarbeiter haben." In Österreich hingegen herrsche Chancengleichheit, da die Entscheidung, ob ein Projekt förderungswürdig ist, nicht von einem Gremium, sondern durch festgesetzte und transparente Kriterien entschieden wird. "Zudem bietet Österreich eine Bandbreite an Förderung, die auch die Erforschung pflanzlicher Wirkstoffe mit einbezieht, und damit auch unsere Forschungsziele", sagt Popp.

"Deutschland hat technologische Führungsposition"

Henning Klodt, Leiter des Zentrums Wirtschaftspolitik, kritisiert: "In den Gremien in Deutschland sitzen Vertreter von Großunternehmen und aus den Ministerien, die beschließen, welche Projekte zukunftsträchtig sind. Verschiedene Branchenschwerpunkte wie der Maschinenbau werden selten gefördert. Dabei hat Deutschland in diesem Bereich eine technologische Führungsposition."

Im Wesentlichen scheint Deutschland die Notwendigkeit einer steuerlichen Förderung begriffen zu haben: "Wie schon oft sollte es auch im vergangenen Jahr im Koalitionsvertrag berücksichtigt werden — und wurde dann doch wieder gestrichen", erklärt Popp. Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert schon lange, dass sich die Politik dem Thema intensiver widmen muss. Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: "Die Quote der staatlichen Unterstützung privater Forschungsaufwendungen ist seit 30 Jahren rückläufig. Der Staat muss sich stärker engagieren. Eine hohe Innovationsleistung der Unternehmen ist kein Selbstläufer", sagt er. Wie viele forschende Wirtschaftsunternehmen fordert er eine steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen aller Größenklassen, "wie sie in den meisten OECD-Staaten längst üblich ist".

BDI mit Forderung in bester Gesellschaft

Argumentiert wird damit, dass "die steuerliche Forschungsförderung eine Investition mit langfristiger gesamtstaatlicher Renditeaussicht" sei, so Schweer. "Auf Unternehmensebene würde jeder über Steuermittel eingesetzte Euro bei einer zehnprozentigen Steuergutschrift zu zusätzlichen Forschungsaufwendungen von 1,25 Euro führen." Der BDI ist mit seiner Forderung in bester Gesellschaft. Auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die Wirtschaftsweisen und die EU empfehlen die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung in Deutschland. Diese führe zu zusätzlichem Wirtschaftswachstum, sagt Schweer: "Steuerliche Forschungsförderung und Haushaltssanierung passen zusammen."

Dass das funktionieren kann, weiß Michael Popp, der seit vielen Jahren in Österreich Forschung betreibt. Klar koste die steuerliche Forschungsförderung den Staat zunächst Geld, räumt er ein, doch das rentiere sich: "Inzwischen zahlen wir in Österreich Steuern und Lizenzgebühren." Es sei eine einfache Rechnung: Die steuerlichen Vorteile führten zu mehr Forschung, die zu mehr Ergebnissen, das wiederum zu mehr Gewinn, das zu mehr Steuereinnahmen, das zu mehr Arbeitskräften — und dann schließe sich der Kreis. Eine Aufwärtsspirale mit vielen Gewinnern, sagt Popp. "Man muss in Deutschland nur einmal den Motor anwerfen, dann kommt auch das Geld."

(RP)
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