Brüssel Ökostrom-Streit: Gabriel wirft EU Trickserei vor

Brüssel · Die EU-Kommission versuche, sich über das Wettbewerbsrecht in die Energiepolitik einzumischen.

Diese Arten der Stromerzeugung gibt es
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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will trotz des Brüsseler Beihilfeverfahrens möglichst viele Industrie-Rabatte bei der Ökostrom-Förderung erhalten. "Wir müssen in Deutschland sicherstellen, dass die energieintensive Industrie weiterhin von der EEG-Umlage befreit ist", sagte der SPD-Politiker gestern bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel. "Alles andere führt dazu, dass wir Deutschland deindustrialisieren." Gabriel traf am Abend mit Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) und Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia zusammen. "Es hilft niemandem, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu schädigen."

Almunia stellt die Vergünstigungen bei der Ökostrom-Umlage infrage, weil dies nach seiner Ansicht deutsche Betriebe gegenüber ausländischen Konkurrenten bevorteilt. Vor Weihnachten hat er ein Prüfverfahren wegen unerlaubter staatlicher Beihilfen gegen Deutschland eingeleitet. Auf stromintensive Betriebe könnten Millionen-Nachzahlungen zukommen. Die Bundesregierung hat einen Monat Zeit, zu reagieren.

Die Kommission versuche, "sich über das Wettbewerbsrecht einen Zugang zu einem Bereich zu schaffen, in dem sie eigentlich keine Zuständigkeit hat, nämlich die nationale Energiepolitik", kritisierte Gabriel. Schon im Dezember hatte er vollmundig erklärt, es werde nach seiner Überzeugung keine Nachzahlungen geben. Die Behörde kann dies aber sehr wohl von den deutschen Unternehmen verlangen.

Gabriel weiß aber, dass er dass deutsche Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) so reformieren muss, dass die Zahl der Ausnahmen sinkt. Almunia hält sie nur für solche Betriebe für gerechtfertigt, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen die Gefahr einer Abwanderung besteht. Gabriel will für die Reform bis Ostern Eckpunkte vorlegen.

Union und FDP hatten die Regeln für Unternehmen gelockert, die ganz oder größtenteils von der Zahlung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) befreit sind. Kamen 2010 noch 570 Unternehmen und insgesamt 771 Unternehmensteile in den Genuss der EEG-Ausnahmeregelung, sind es im laufenden Jahr bereits 2379 Betriebe und etwa 2800 Abnahmestellen. Dies entspricht einer privilegierten Strommenge von fast 120 Terrawattstunden oder 20 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland. Die Industrie werde im laufenden Jahr um fast acht Milliarden Euro entlastet, schätzen Energieexperten. Wegen dieser Entlastung müssen die übrigen Stromverbraucher entsprechend mehr für die Förderung des Ökostroms bezahlen.

Union und SPD wollen den Umfang der Privilegien wieder zurückfahren, jedoch blieben sie im Koalitionsvertrag vage. Die Grünen fordern eine Kürzung der Rabatte um die Hälfte, die Industrie müsste dann vier Milliarden Euro im Jahr mehr für ihren Strom zahlen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) möchte allzu empfindliche Kürzungen verhindern.

(mar)
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