Unkalkulierbares Risiko Ökonomen raten vom Ausstieg aus dem Euro dringend ab

Berlin · Eine Rückkehr zur D-Mark, wie sie die "Alternative für Deutschland" fordert, würde Deutschland ein unkalkulierbares Risiko bringen.

Heute vor 15 Jahren — am 23. April 1998 — hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit bei nur 35 Gegenstimmen die Einführung des Euro beschlossen. Ganz anders war die Stimmung in der Bevölkerung: Die Mehrheit der Bundesbürger tat sich schwer mit dem Abschied von der bewährten D-Mark, die das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Krieg begleitet hatte und zu einer der härtesten Währungen der Welt avanciert war.

Zunächst kam der Euro in einer Übergangsphase nur als Recheneinheit. Erst mit der tatsächlichen Umstellung auf den Euro 2001 tauchte ein Phänomen auf, das später "gefühlte Inflation" genannt wurde: Die Teuerungsrate stieg rein statistisch gesehen kaum, doch viele Gastwirte, aber auch Frisöre und andere Dienstleister hatten die Währungsumstellung für eine kräftige Preiserhöhung genutzt. Dies führte zu einer gefühlten Teuerung durch den Euro, die sich im statistischen Durchschnitt aber nicht niederschlug, weil andere Waren preiswerter wurden — etwa Computer.

Bis zum Ausbruch der europäischen Finanzkrise 2009 wuchs dennoch die Zufriedenheit der Deutschen mit dem Euro, der sich als noch stabiler als die D-Mark erwies. Die jährlichen Inflationsraten lagen im Durchschnitt der Euro-Jahre unter dem Schnitt der D-Mark-Jahre. Der Außenwert des Euro, und damit das Vermögen der Europäer, stieg gegenüber anderen wichtigen Währungen. Das ist zwar bis heute noch so, doch mit der Krise traten die Konstruktionsfehler der Euro-Zone immer offener zutage: Länder wie Griechenland, Portugal, aber auch Spanien, Irland und sogar Italien erwiesen sich aus den unterschiedlichsten Gründen als nicht gut gerüstet für die Herausforderung einer gemeinsamen Währung.

Daher tauchen Zweifel auf, ob Deutschland in der Euro-Zone noch gut aufgehoben ist — und eine neue Partei namens "Alternative für Deutschland" (AfD) fordert offen den behutsamen Austritt oder eine kleinere Euro-Zone ohne die Südländer. In einer Umfrage des Insa-Instituts für die "Bild" erreichte die AfD jetzt erstmals fünf Prozent.

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rieten vergangene Woche dringend von den Ideen der AfD ab. "Wir wissen nicht, was bei einem Euro-Austritt passieren würde: Man riefe Geister, die man nicht mehr beherrschen kann", warnte der Konjunkturchef des Essener Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsforschungsinstituts, Roland Döhrn. Es käme zu Turbulenzen an den Finanzmärkten, möglicherweise sogar zu einer Schockstarre der Weltwirtschaft wie nach der Lehman-Pleite 2008. "Die Rückkehr zur D-Mark würde die deutsche Exportwirtschaft massenweise Arbeitsplätze kosten, weil sie nach der Aufwertung der D-Mark nicht mehr wettbewerbsfähig wäre", sagte Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle.

In einer Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) hob dessen Chef Thomas Straubhaar vergangene Woche die Vorteile des Euro hervor. Er sei für die exportorientierte deutsche Wirtschaft von enormem Wert: Nicht nur reduziere die einheitliche Währung in Europa die sogenannten Transaktionskosten der Unternehmen, die Kosten der Währungsumrechnung, um jährlich etwa drei Milliarden Euro. Auch schütze der Euro die Wirtschaft vor Währungsschwankungen und -manipulationen im Euro-Raum. Zudem erhöhe eine starke europäische Währung den Einfluss Europas in der Welt. "Europa kann mit einem Euro als global wichtiger Währung viele der strategischen Zukunftsfragen, von der Handelspolitik bis hin zu Fragen des Klimawandels oder des Zugangs zu Energie und Rohstoffen, wirtschaftlich, politisch und geopolitisch eine maßgeblichere Rolle spielen als ohne Euro", sagte Straubhaar. Vorausgesetzt allerdings, dass es in den kommenden Monaten gelingt, die Konstruktionsfehler der Euro-Zone wirklich zu beseitigen.

(mar)
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