Berlin Ökonomen eilen Merkel zu Hilfe

Berlin · Sieben Wirtschaftsexperten stützen den Kurs der Bundesregierung bei der Euro-Rettung. Sie veröffentlichen eine Gegenposition zur scharfen Kritik von 160 Wirtschaftswissenschaftlern am jüngsten Gipfelbeschluss. Direkte Hilfen für angeschlagene Banken gegen Auflagen seien der richtige Weg.

Der Protestaufruf von über 160 deutschsprachigen Ökonomen gegen den jüngsten Gipfelbeschluss zur Euro-Rettung hat bei anderen Wirtschaftsexperten und in der Bundesregierung heftigen Widerspruch ausgelöst. Sieben Ökonomen, darunter der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, haben eine Gegenposition veröffentlicht, in der sie ihre 160 Kollegen attackieren. Es könne "nicht die Aufgabe von Ökonomen sein, mit Behauptungen, fragwürdigen Argumenten und in einer von nationalen Klischees geprägten Sprache die Öffentlichkeit durch einen Aufruf weiter zu verunsichern", heißt es darin.

Die Staats- und Regierungschefs hätten auf dem Gipfel den richtigen Weg beschritten, weil sie die überfällige Bankenrestrukturierung anpacken wollten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte den Appell der 160 Ökonomen "unverantwortlich", weil er Verwirrung stifte und am Kern der Gipfelbeschlüsse vorbeigehe. Es gehe darin in erster Linie um den Aufbau einer europäischen Bankenaufsicht und nicht um eine neue Haftungsgemeinschaft für die Schulden maroder Geldinstitute.

Die Regierungschefs der 17 Euro-Länder hatten am Freitagmorgen vergangener Woche nach einer Marathonsitzung eine Erklärung veröffentlicht. "Sobald ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der ESM (Rettungsschirm, d. Red.) nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren", hieß es darin. Dies werde an angemessene Auflagen für die antragstellenden Banken geknüpft.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti feierte diesen und andere Sätze aus der Erklärung anschließend als Erfolg, denn die Bundesregierung hatte direkte Bankenhilfen aus dem ESM bisher strikt abgelehnt. Berlin blieb am Freitagmorgen zunächst stumm, was in den Bundestagsfraktionen die Irritationen über die Beschlüsse noch verstärkt hat. Nur mit Mühe konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend noch die nötigen Zweidrittelmehrheiten für den ESM-Vertrag und den Fiskalpakt durchsetzen. Seit dem Gipfel haben Kritik und Misstrauen in den Fraktionen gegenüber dem Krisenmanagement der Kanzlerin erheblich zugenommen. "Ich glaube, wir nähern uns dem Ende dessen, was Bundestag und Bevölkerung bereit sind mitzutragen", sagte der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Stübgen.

Umso unangenehmer war für die Regierung der Aufruf der 160 Ökonomen, darunter der bekannteste Merkel-Kritiker, Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. In ihrem Appell rufen die Wirtschaftswissenschaftler die Bevölkerung auf, sich gegen die Gipfelbeschlüsse zu wehren. Denn damit würde der Schritt in Richtung Bankenunion getan: Deutsche Steuerzahler sollten demnach künftig für marode ausländische Banken haften. Geholfen werde damit der Wall Street und der City of London, nicht aber dem Euro.

In ihrem Gegen-Appell werfen die sieben Sinn-Kritiker – neben Bofinger sind dies Gustav Horn, Michael Hüther, Dalia Marin, Bert Rürup, Friedrich Schneider und Thomas Straubhaar – ihren Kollegen vor, ein "Schreckgespenst" aufzubauen. Der Gipfelbeschluss dokumentiere die Absicht, ähnlich wie in den USA Banken mit zu geringem Eigenkapital Finanzspritzen zu gewähren, "ohne die Aktionäre und Gläubiger zulasten der Allgemeinheit, der Steuerzahler, aus ihrer finanziellen Verantwortung zu entlassen". Dies sei der richtige Weg.

(mar)
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