Nächster Schritt Schlichtung Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert

Potsdam · Die Verhandlungen über Lohnerhöhungen für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst beim Bund und in den Kommunen sind gescheitert. Die Arbeitgeber rufen eine Schlichtung an. Was das bedeutet.

Öffentlichter Dienst braucht Schlichtung - So reagieren Gewerkschaften und Arbeitgeber​
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Tarifgespräche gescheitert - So reagieren Gewerkschaften und Arbeitgeber

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Foto: Carsten Pfarr

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert - jetzt sind unabhängige Schlichter am Zug. Ab diesem Sonntag herrscht nach Angaben von Verdi für die Zeit der Schlichtung Friedenspflicht. Bis dahin seien allenfalls noch kleinere regionale Warnstreiks geplant. Nun wird mit Spannung erwartet, ob die Schlichter den aufgeheizten Tarifstreit lösen können - oder ob auch die Schlichtung scheitert und in einigen Wochen neue Streiks bevorstehen.

Auch die dritte, dreitägige Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Potsdam hatte keine Einigung gebracht. Bund und Kommunen sowie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund hatten sich seit Montag in der dritten und zugleich letzten vereinbarten Tarifrunde um einen Kompromiss bemüht.

„Unüberbrückbare Unterschiede“

„Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am frühen Donnerstagmorgen in Potsdam. Dabei bezog er sich auf die unterschiedlichen Vorstellungen der Tarifparteien sowohl beim Mindestbetrag für untere Einkommensgruppen als auch bei der prozentualen Lohnerhöhung. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, spielte auf die großen Teuerungsraten und die hohen Energiepreise in Deutschland an. Auftrag der Beschäftigten an die Gewerkschaften sei es gewesen, „dass sie nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern eine Reallohnerhöhung“. Verdi habe das Scheitern der Verhandlungen erklärt, sagte Werneke. Die Gewerkschaftsgremien hätten dies einstimmig beschlossen.

Mit einem Durchbruch hätten neue Warnstreiks oder Streiks abgewendet werden können. Allerdings mündet auch das Scheitern nicht unbedingt in neue Ausstände. Innerhalb von 24 Stunden nach Erklärung des Scheiterns kann eine Seite eine Schlichtung einleiten. Werneke sagte: „Wir selbst haben nicht vor, die Schlichtung anzurufen. Die Entscheidung liegt bei den Arbeitgebern.“

Angebot der Arbeitgeber abgelehnt

Kurz darauf teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit: „Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen.“ Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, bedauerten, dass die Gewerkschaften ein Scheitern erklärt hatten. Die Arbeitgeber hätten 8 Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro angeboten. Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat.

Dieser Mindestbetrag ist für die Gewerkschaften zentral: Für die Bezieherinnen und Bezieher kleinerer Einkommen sollen so einen Ausgleich für die hohe Inflation erreicht werden. Die VKA hatte einen Mindestbetrag lange komplett abgelehnt.

Wie eine Schlichtung abläuft

Die Schlichtung folgt einem festgelegten Verfahren mit Fristen. Eine Schlichtungskommission hat bis Mitte April Zeit, einen Einigungsvorschlag für das Einkommen der 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen vorzulegen. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt für die Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften, wobei Lühr die entscheidende Stimme hat. Über ihren Schlichtungsvorschlag verhandeln die Tarifparteien dann erneut.

Wie es nach der Schlichtung weitergeht, ist offen. Spätestens am 18. April müssen nach einer Aufstellung der Gewerkschaften, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Verhandlungen der Tarifparteien wieder aufgenommen werden. Der Tarifstreit kann dann endgültig gelöst werden - aber es können auch reguläre Streiks folgen. Streiks nach gescheiterter Schlichtung gab es bereits Anfang der 90er Jahre im öffentlichen Dienst.

Dreitägige Verhandlungen seit Montag

Seit Montag hatten Gewerkschaften und Arbeitgeber in Potsdam in ihrer dritten Verhandlungsrunde über die Einkommen von 2,5 Millionen Beschäftigten verhandelt. Immer wieder wechselten Gespräche der Verhandlungsspitzen und Beratungen der einzelnen Tarifpartner untereinander ab. Dabei gab es bei der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) viel internen Klärungsbedarf.

Die Arbeitgeber hatten die Forderungen aber auch insgesamt als nicht leistbar zurückgewiesen. Zur zweiten Verhandlungsrunde hatten sie im Februar ein deutlich darunter liegendes Angebot vorgelegt. Sie boten 5 Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von zunächst 1500 und später noch einmal 1000 Euro. Die Gewerkschaften reagierten empört und organisierten immer größere Warnstreiks.

In den vergangenen Wochen hatten die Gewerkschaften den öffentlichen Verkehr, aber auch Kitas, Kliniken oder die Müllabfuhr mit massiven Warnstreiks teils lahmgelegt.

Verdi sieht sich durch die massiven Warnstreiks der vergangenen Wochen gestärkt. Von der „größten Warnstreik-Beteiligung seit vielen Jahren und Jahrzehnten“ sprach Verdi-Chef Frank Werneke. Die Gewerkschaft verzeichnete über 70.000 Eintritte in den vergangenen drei Monaten.

Betroffen von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind Angehörige etlicher Berufe - unter anderem Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes. Auf die Beamtinnen und Beamten soll das Ergebnis nach dem Willen der Gewerkschaften übertragen werden.

(Reuters/dpa/AFP)
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