Große Teile stammen aus der Feder der Verbände NRW-Sparkassen schreiben sich ihr Gesetz selbst

Düsseldorf/Münster · Die Landesregierung hat ein neues Sparkassengesetz vorgeschlagen. Der Entwurf soll die Sparkassenverbände von ihrer Fusionspflicht befreien. Vertrauliche Dokumente belegen: Wesentliche Teile haben die Verbände selbst verfasst.

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Der Landtag beschließt die Gesetze für NRW. Vorschläge für neue Gesetze sind dem Landtag und der Landesregierung vorbehalten: "Gesetzentwürfe werden von der Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags eingebracht", lautet Artikel 65 der Landesverfassung. Dass ein Unternehmen oder ein Verband einen Gesetzentwurf formuliert, ist nicht vorgesehen. Erst recht nicht, wenn es bei dem Gesetz um die Interessen dieses Unternehmens oder Verbandes geht.

Doch genau das ist geschehen: Am 17. April hat die Landesregierung ihren Entwurf für ein neues Sparkassengesetz (SpkG) vorgelegt. Der wichtigste Teil dieses Gesetzesentwurfes stammt nicht aus der Feder des zuständigen Finanzministeriums, sondern von den beiden NRW-Sparkassenverbänden. Das geht aus vertraulichen Unterlagen der beiden Spitzenverbände hervor.

Der Entwurf der Regierung ist unter der Drucksache 16/2652 auf der Internetseite des Landtages einsehbar. Er umfasst 13 Seiten, durchläuft das Gesetzgebungsverfahren schon seit Monaten und soll dem Parlament am 10. Juli zur Abstimmung vorgelegt werden. Der zentrale Punkt: Die NRW-Sparkassenverbände sollen entgegen des bisher geltenden Gesetzes von ihrer Fusionspflicht befreit werden. Stattdessen sollen sie nur ihre beiden Akademien zusammenlegen.

Sind zwei Verbände nötig?

Damit soll Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland bleiben, das sich zwei Sparkassen-Verbände leistet. Eine Fusion der Verbände könnte jährlich Millionen einsparen. Das Sparziel der Akademie-Fusion wird in dem Entwurf nicht genannt. Die beiden Akademien beschäftigen rund 90 Mitarbeiter und unterhalten mehrere Standorte in NRW.

Pikant: Artikel 2 dieses Entwurfes umfasst mit dem "Gesetz über die Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen" also den Kern des von der Landesregierung vorgeschlagenen neuen Gesetzes. Dieser Artikel wurde von der Landesregierung wörtlich aus einem Formulierungsvorschlag der Sparkassenverbände übernommen. Die Landesregierung hat nur wenige Sätze umformuliert und die Reihenfolge einiger Paragraphen verändert.

Die Sitzung, in der die obersten Gremien der beiden NRW-Sparkassenverbände über ihren Formulierungsvorschlag berieten, fand am 20. Dezember 2012 in Münster statt. Tagesordnungspunkt eins: Die "Verwirklichung der Kooperationsvereinbarung". Mit dieser "Kooperationsvereinbarung" war es den Verbänden im Vorfeld gelungen, das Finanzministerium zu einem neuen Sparkassengesetz zu bewegen.

Zum Thema "Sparkassenakademie" heißt es in der streng vertraulichen Tischvorlage: "Für das für die Errichtung der neuen Anstalt erforderliche Gesetz wird dem Finanzministerium NRW der in der Anlage 2 enthaltene Gesetzesvorschlag unterbreitet." Die Autorität des Ministeriums nehmen die Verbandsfunktionäre offenbar nicht allzu ernst: "Das Finanzministerium plant die Fusion über ein Akademiegesetz ,anzuordnen´." Das Wort "anzuordnen" haben die Verbände tatsächlich in Anführungszeichen gesetzt. Es folgt ihr "Vorschlag", der dann später zum fast wortgleichen "Entwurf" des Finanzministeriums wurde.

"Vorschlag war Teil der gutachterlichen Beratung"

Die Sparkassenverbände erklärten den Vorgang am Montag so: Der "Vorschlag für eine gesetzliche Regelung" sei Teil ihrer "gutachterlichen Beratung" der Landesregierung gewesen, zu der die Sparkassenverbände gesetzlich verpflichtet seien. Das Finanzministerium weicht der Frage nach der Urheberschaft der Formulierungen aus. Eine Sprecherin betonte lediglich, die Anregung zur Fusion der Akademien gehe auf Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zurück. Wegen des engen Dialogs zwischen Ministerium und Verbänden sei davon auszugehen, "dass die Version, die in das Gesetz eingeflossen ist, die Handschrift des Finanzministeriums trägt und die Vorstellungen des Finanzministeriums widerspiegelt".

Der Bundesgeschäftsführer der Organisation Lobbycontrol, die sich der Aufdeckung von Machtstrukturen verschrieben hat, kritisiert den Vorgang trotzdem: "Wenn die Parlamentarier wüssten, dass sie nicht über einen Regierungsentwurf sondern über ein Lobbyisten-Papier abstimmen, würden sie bestimmt genauer hinsehen", sagte Ulrich Müller. Es habe seinen Grund, dass die Gesetze laut Landesverfassung innerhalb der demokratischen Institutionen geschrieben werden müssen. "Ich bezweifle, dass ein Sparkassenverband ein ähnlich geeigneter Ort der Interessensabwägung ist", so Müller.

Ebenso empört ist Andreas Riegel, Rheinland-Chef der Antikorruptions-Organisation Transparency International: "Nach der Landesverfassung NRW steht die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich dem Volk und der Volksvertretung zu." Für die Stellungnahmen von Betroffenen zu geplanten Gesetzen seien im Gesetzgebungsverfahren eigenständige Anhörungen vorgesehen.

Eine davon findet am heutigen Dienstag im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages statt: die öffentliche Anhörung zum Sparkassengesetz. Ihre gemeinsame Stellungnahme verbreiteten die NRW-Sparkasssenverbände schon vorab. Darin heißt es: "Der vorgelegte Entwurf für ein Akademiegesetz erfährt unsere uneingeschränkte Unterstützung."

(RP/felt/jco)
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