Opposition bangt um Demokratiekompetenz Streit um das Schulfach Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf · Seit Jahren wird um das Schulfach Wirtschaft gerungen. Schwarz-Gelb startete ein Pilotprojekt, Rot-Grün führte es nicht fort. Die aktuelle schwarz-gelbe Landesregierung will es wieder einführen – doch der Widerstand wächst und die verbale Schärfe nimmt zu.

 Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) besucht eine Grundschule und spricht mit den Schülern.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) besucht eine Grundschule und spricht mit den Schülern.

Foto: dpa/Oliver Berg

Am Mittwoch werden im NRW-Landtag Experten zu den Plänen von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gehört, ab dem Sommer das Schulfach Wirtschaft-Politik in den Gymnasien und ab dem kommenden Jahr vergleichbare Fächer in allen weiteren Schulformen einzuführen. Experten warnen, dass die Einführung zu überhastet erfolgt. Und die Opposition kritisiert, dass dadurch die „Demokratiekompetenz“ der Schüler vernachlässigt werde.

Diese Einschätzung wiederum wird jetzt von Unternehmern und Gewerkschaftern kritisiert. „Ich halte es für fahrlässig, was die Opposition mit ihrem Antrag ,Mehr Demokratie wagen‘ betreibt“, sagt der Vorsitzende des NRW-Verbandes „Die Familienunternehmer“, Thomas Rick. „So zu tun, als würde durch das Fach Wirtschaft-Politik die Demokratie gefährdet, ist schon ein starkes Stück. Das zeugt von einem fundamentalen Unverständnis unter anderem über das Unternehmertum.“ Rot-Grün tue so, als seien Wirtschaft und Unternehmen eine Bedrohung. Schützenhilfe bekommt Rick von Brigitte Balbach, der Vorsitzenden von Lehrer NRW: „Ich glaube, dass durch das Fach Wirtschaft die Schüler zu mündigen Bürgern erzogen werden.“ Nur wer die Wirtschaftsabläufe verstehe, könne sich frei machen von Verlockungen durch Werbung und Markendruck. „Im Antrag der Opposition wird so getan, als ließe sich Demokratie nur im Politikunterricht erlernen. Demokratische Spielregeln sollten Bestandteil jedes Faches sein“, sagt Balbach.

Die Familienunternehmer bezeichnen Gebauers Pläne als richtigen Schritt. „Wir sind aber noch nicht am Ziel. Es muss jetzt sichergestellt werden, dass nicht am Ende des politischen Prozesses eine weichgespülte Lösung herauskommt“, sagt Verbandschef Rick. „Wir wollen keinen Einheitsbrei. Die Regierung muss jetzt sicherstellen, dass das Fach Wirtschaft nicht beim nächsten Regierungswechsel wieder über die Klippe geht.“

Davor warnen auch Experten, wie der Hochschulprofessor Ulrich Braukmann, Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal: „Die FDP hat das Thema Wirtschaft als allgemeinbildendes Schulfach in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt.“ Nun wolle die Koalition es mit ihrer einen Stimme Mehrheit exekutieren. „Wir brauchen zur Wirksamkeit neuer allgemeinbildender Inhalte auch einen parlamentarischen Konsens über alle Parteigrenzen hinweg.“ Braukmann schlägt daher eine Enquete-Kommission vor – auch wenn diese bedeuten würde, dass der Zeitplan von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) nicht mehr zu halten wäre. Als mahnendes Beispiel gilt ihm das Pilotprojekt Wirtschaft an Realschulen, das 2010/2011 von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung ins Leben gerufen wurde, nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün aber nicht mehr fortgesetzt wurde.

Brigitte Balbach sieht diese Gefahr nicht:„Da es sich um ein Gesamtkonzept für alle Schulformen handelt, wird es sehr schwer sein, das Ganze in Zukunft wieder rückabzuwickeln.“

Wirtschaftsvertreter Rick fordert nun, „dass die Lerninhalte ordentlich festgezurrt werden“. In der Vergangenheit sei sehr viel Politik über die Schulbücher gemacht worden. „Es kann nicht sein, dass die Grundlagen der Ökonomie mal eben schnell auf zwei Seiten im Schnelldurchlauf runtergeleiert werden und sich dann zehn lange Seiten zur Sozialpartnerschaft anschließen“, sagt er, „und die Bedeutung des Familienunternehmertums für die Wirtschaft in NRW kommt mir viel zu kurz.“

Balbach verlangt zudem, dass es nun möglichst zügig entsprechend ausgebildete Lehrkräfte geben müsse. „Es ist schon einmal gut, dass die Wirtschaft für eine Übergangsphase Zertifizierungskurse angeboten hat. Langfristig benötigen wir aber entsprechende Studiengänge.“ 

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