Düsseldorf NRW – Knotenpunkt im Herzen Europas

Düsseldorf · Nirgendwo auf dem Kontinent rollt so viel Verkehr wie im größten deutschen Bundesland, das Europas Logistikdreh-scheibe wird. Die große Zahl an Baustellen ist für die Autofahrer aber auch regelmäßig eine große Herausforderung.

Das Straßennetz ist Nordrhein-Westfalens Fluch und Segen zugleich. Einerseits hat kein anderes Bundesland so viele Straßen – alle zusammen sind 123 000 Kilometer lang, das Dreifache des Erdumfangs. Dieses gewaltige Netz von Autobahnen, Landes- und Kreisstraßen sichert einerseits die Jobs im Land und bedeutet andererseits für die Anwohner eine enorme Belastung. Von den gut acht Millionen Erwerbstätigen pendeln fast drei Millionen täglich zwischen zwei Städten in NRW, über 60 Prozent davon mit dem Auto. Zudem wurden laut Kraftfahrtbundesamt in NRW 2012 über eine Milliarde Lkw-Tonnen umgeschlagen; hinzu kommt der Transit-Verkehr. Experten schätzen, dass die NRW-Autobahnen an die 100 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr aushalten müssen. Dass dies nicht spurlos an ihnen vorbeigeht, zeigen Stau-Statistiken. Mit 120 000 Kilometern war NRW auch 2013 deutscher Stau-Meister.

Eine Herkules-Aufgabe für Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD). Er soll die Autobahnen ausbauen, instandhalten, mit Flüsterasphalt leiser machen und das alles ohne zusätzliche Steuern – am besten nachts, damit die Baustellen niemanden stören. Weil genau das nicht geht, erleben die Autofahrer in NRW von jeder dieser Forderungen täglich auch das Gegenteil.

Die Hauptverkehrsachsen zwischen Duisburg und Köln sowie Düsseldorf und Dortmund sind im Berufsverkehr kaum noch befahrbar. Gleichzeitig sorgen die Gegenmaßnahmen 2014 für noch mehr Probleme. Unter dem Umbau des Kaarster Kreuzes leiden noch bis weit ins nächste Jahr hinein täglich 100 000 Autofahrer im allmorgendlichen Dauerstau. Auch die Duisburger werden bald gebeutelt: Ihre wichtigste Nord-Süd-Verbindung, die A 59, wird von Mai bis Oktober in wechselnden Fahrbahnrichtungen gesperrt. Wer ausweichen will, muss über die ebenfalls schon völlig überlastete A3 oder über die A40. Der Landesstraßenbaubetrieb NRW listet über 40 aktuelle Großprojekte auf, die dem Erhalt und dem Ausbau des NRW-Autobahnnetzes dienen. Allein für 49 Straßenbrücken sieht Groschek infolge des drastisch gewachsenen Lkw-Verkehrs kompletten Ersatzbedarf. Er will dafür rund 3,5 Milliarden Euro ausgeben.

Vor wenigen Wochen hat NRW dem Bund 278 Straßenbauprojekte mit einem geschätzten Bauvolumen von 20 Milliarden Euro zur Bewertung gemeldet. Neu davon sind nur 72 – alle übrigen stehen schon seit 2004 auf der Agenda. Allein dieser Zahlenvergleich zeigt, wie groß der Sanierungsstau im NRW-Straßennetz ist. 700 Millionen Euro flossen im vergangenen Jahr in die Erhaltung und den Ausbau der Bundesfernstraßen in NRW, für das laufende Jahr sind 587 Millionen Euro geplant. Während hier der Bund den größten Teil der Kosten trägt, muss das Land seine Landesstraßen alleine finanzieren – 145 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt im vergangenen Jahr, 150 Millionen in diesem.

Aber wie immer beim Thema Verkehrspolitik geht es nicht nur um viel Geld, sondern auch um sehr unterschiedliche Interessen. Nicht nur die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft stehen im Wettbewerb, sondern auch die Regionen. Die einen wollen mehr Infrastruktur in wirtschaftlich schwachen Gebieten, die anderen nach dem Motto "Starkes stärken" nur die Metropolen und das Ruhrgebiet ausstatten, weil die Infrastruktur sich dort am schnellsten amortisiert.

In einem aber ist sich ganz NRW einig: Von seiner Lage im Herzen Europas kann das Land nur mit außergewöhnlich guter Infrastruktur profitieren. NRW liegt mitten auf den wichtigsten transeuropäischen Handelsrouten zwischen den Seehäfen Amsterdam und Rotterdam sowie den Metropolen Paris und Moskau. Außerdem hat es 18 Millionen Einwohner – mehr Produzenten und Konsumenten als fast jede andere Region in Europa. Damit kann es als zentrale Drehscheibe eine Schlüsselfunktion im rasant wachsenden Welthandel übernehmen. In kaum einer Branche sehen Experten mehr neue Jobs entstehen als in der Logistik. Nimmt NRW diese Rolle an, wird seine Wirtschaft gewaltig wachsen. Aber der Straßenverkehr auch.

(RP)
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