Garrelt Duin (spd) "NRW hielt zu lange an falschen Industrien fest"

Der Landes-Wirtschaftsminister will in zwei Wochen eine Analyse präsentieren und die Ursachen für das Null-Wachstum offenlegen.

Düsseldorf Es ist ein heißer Tag, Garrelt Duin hat die Krawatte gleich weggelassen. Im Gespräch sagt er, wie er der NRW-Wirtschaft zu neuem Schwung verhelfen will.

Herr Minister, Null-Wachstum, Arbeitslose, öffentliche Investitionen - die NRW-Wirtschaft liegt bei vielen Kennziffern unter dem Bundesschnitt. Welchen Anteil haben Sie daran als Wirtschaftsminister?

Duin In NRW gibt es besonders viele Unternehmen der Grundstoffindustrie, die mit sinkenden Weltmarktpreisen zu kämpfen haben. Der Anteil liegt bei etwa 30 Prozent im Vergleich zu knapp 20 Prozent im Bundesschnitt. Wenn wie gerade geschehen je eine Milliarde Euro an Exporten im Stahl und im Maschinenbau wegbrechen, verringert das schon die Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent.

Welche Regionen sind besonders betroffen?

Duin Wir sehen, dass das Ruhrgebiet wächst, aber im Bergischen Land ist es besonders schwer. Das betrifft natürlich auch den Wirtschaftsminister. NRW hat einfach zu lange an den falschen Industrien festgehalten. Ich habe zwar noch nicht das Recht, nach vier oder fünf Jahren, die ich hier im Land verbracht habe, meine Vorgänger zu kritisieren...

Aber Sie dürfen sagen, was Sie anders machen wollen...

Duin Es geht jetzt darum, die Dynamik der Wirtschaft zu erhöhen, wir müssen radikal auf Neues setzen.

Was genau haben Sie vor?

Duin Wir sind dabei, eine volkswirtschaftlich saubere Analyse zu machen, in zwei Wochen werden wir sie vorlegen: Woran liegt es, dass wir zurückliegen? Auf dieser Grundlage entwerfen wir ein Bild für den 80. NRW-Geburtstag und sagen, wo wir dann stehen wollen. Daraus folgend definieren wir Zwischenschritte als messbare Ziele, auch auf einzelnen Feldern wie der Digitalisierung.

Dann entwerfen Sie doch mal Ihr Bild von NRW...

Duin In zehn Jahren werden wir das modernste Bundesland in Deutschland sein und zugleich auch top in Europa. Wir vergleichen uns viel zu oft mit anderen Bundesländern statt mit europäischen Regionen. Wir müssen uns ja auch im internationalen Vergleich behaupten. Wir brauchen eine solche Vision und entsprechende industriepolitische Leitlinien. Darüber bin ich mir mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einig und bin da auch mit den Unternehmern auf einer Linie.

Wir können uns das immer noch nicht recht vorstellen. Wie soll eine solche Leitlinie aussehen?

Duin Wir sind noch mitten im Prozess. Aber es könnte um das Ziel gehen, den Anteil der Industrie im Land bei über 20 Prozent zu halten.

Warum werden diese Leitlinien und Visionen erst jetzt entwickelt, kurz vor Ende der Legislaturperiode? Sie sind ja schon seit vier Jahren Wirtschaftsminister in NRW...

Duin Ich denke nicht ausschließlich in Legislaturperioden. Es ist doch so: Wenn ein Politiker ein Jahr vor der Wahl nichts Entscheidendes mehr auf den Weg bringt, heißt es, er habe wohl nur noch den Wahlkampf im Kopf. Aber wenn er bis zum Schluss aktiv ist, wird er auch kritisiert...

Warum baut NRW sage und schreibe sechs Zentren für den Kontakt zwischen Digitalfirmen und Traditionsunternehmen auf, wenn sich in den USA doch alle Gründer an einem Ort, im Silicon Valley, konzentrieren?

Duin Wir müssen die Dezentralität von NRW als Chance sehen. Es wäre falsch, nur in einer einzigen Stadt auf eine engere Kooperation von Startups und etablierten Unternehmen zu setzen. Durch den dezentralen Ansatz haben wir nun eben in Münster oder in Aachen jeweils rund 100 Leute dazu gebracht, sich darüber Gedanken zu machen, wie ein solcher Hub funktionieren kann.

Warum konnte die Landesregierung nicht verhindern, dass die geplante Privathochschule zum Programmieren nach Berlin geht statt nach Köln?

Duin Die Landesregierung hat sich über alle Ressorts hinweg für diese Ansiedlung eingesetzt. Wäre es nur nach dem Einsatz des Bundeslandes gegangen, hätte NRW Berlin also sicher geschlagen. Aber die Gründer der Hochschule haben so viele private Förderer für die Ansiedlung in Berlin gefunden, dass die Entscheidung nicht zu vermeiden war. Wir werden allerdings kurzfristig an einer NRW-Hochschule einen gesonderten Lehrstuhl für Programmieren gründen. Es ist ja klar, dass wir gerade in NRW mehr Programmierer brauchen, um die klassische Industrie durch digitale Ideen zu stärken.

Wir hören, der neue Lehrstuhl kommt nach Köln.

Duin Köln wäre sicher ein guter Standort, weil es da besonders viele Startups gibt. Aber ich will da die Entscheidung des Wissenschaftsministeriums nicht vorwegnehmen.

Was halten Sie davon, nach den nächsten Wahlen den Posten eines Bundesministers für Digitales in Berlin zu schaffen, um Deutschland bei diesen Themen entscheidend nach vorn zu bringen?

Duin Davon halte ich sehr viel. Wir hatten ja früher auch einen Postminister, das wäre in etwa vergleichbar.

Das wäre doch eine schöne Position für Sie...

Duin Ich fühle mich sehr wohl in NRW und bin gerade dabei, in Essen ein Haus zu bauen.

Zum Abschluss noch eine Frage zu Thyssenkrupp. Der Konzern steckt noch immer in der Krise. Wird NRW sich, wie es der Betriebsrat fordert, an dem Unternehmen beteiligen?

Duin Die Landesregierung hat ein hohes Interesse an einer guten Zukunft von Thyssenkrupp. Wir sind sehr eng im Gespräch mit allen Beteiligten. Aber der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Jede privatwirtschaftliche Lösung muss sich am Erhalt von Arbeitsplätzen in NRW messen lassen.

KIRSTEN BIALDIGA UND REINHARD KOWALEWSKY FASSTEN DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN. IN VOLLER LÄNGE NACHZULESEN UNTER RP-ONLINE.DE.

(RP)
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