Verspätungen und Zugausfälle NRW-Bahnchaos geht im Herbst weiter

Exklusiv | Düsseldorf · Nach der Baustelle ist vor der Baustelle: Auch für den Herbst erwarten die NRW-Verkehrsverbünde viele Probleme bei Regionalzügen und S-Bahnen. Jeder 14. Zug fällt ungeplant aus, jeder vierte hat Verspätung.

Beim für NRW sehr wichtigen RE1 (RRX) zwischen Aachen, Köln und Hamm hatte im 2. Quartal jeder dritte Zug Verspätung.

Foto: dpa/Caroline Seidel

Reisende, die planen, per Schiene in NRW unterwegs zu sein, müssen sich auch nach Fertigstellung wichtiger Großbaustellen wie zwischen Duisburg und Düsseldorf auf viele Schwierigkeiten im Herbst und Winter einstellen. Diese Einschätzung vertreten der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), der Fahrgästeverband Pro Bahn und die Deutsche Bahn. Der Grund: Neue Baustellen gerade rund um Köln und in Westfalen entstehen. Hinzu kommt, dass gerade Wettbewerber der Deutschen Bahn wie National Express oder die Eurobahn starke Personalprobleme haben, was zu Engpässen führt. „Die Verhältnisse sind für die Reisenden oft unzumutbar und neue Probleme stehen bevor“, sagt Lothar Ebbers, NRW-Sprecher von Pro Bahn. „Auf vielen Linien ist immer wieder mit Ausfällen und Einschränkungen im Zugverkehr zu rechnen“, erklärt der VRR. Die Lage im Schienenverkehr werde „auch im Herbst angespannt bleiben“, so der VRS.

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Eine Großbaustelle zwischen Hagen und Hamm führt ab dem 19. Oktober zu Ausfällen zwischen Köln, Wuppertal und Hamm sowie zu verlängerten ICE-Fahrten nach Berlin.

Rund um Köln stellt die Bahn für mehr als 200 Millionen Euro drei Stellwerke auf Digitaltechnik um, damit mehr Züge über die Gleise brausen können. Zwischen dem 6. September und dem 11. Oktober werden massenhaft Fernverkehrszüge rechtsrheinisch umgeleitet, was Köln und Bonn stark treffen wird.

Am Duisburger Hauptbahnhof wird weiter umgebaut, was nach Einschätzung von Pro Bahn dazu führt, dass die S1 seltener fährt, weil zu wenige Bahnsteige zur Verfügung stehen.

Vom 1. November bis 24. November wird die Strecke zwischen Emmerich und Oberhausen gesperrt, was zu Verzögerungen zwischen Venlo und Mönchengladbach führen wird, wenn Züge umgeleitet werden.

Die S6 von Düsseldorf nach Essen soll bis 2026 nur bis Ratingen fahren. Grund ist, dass die Bahn auch wegen eines viel zu langsamen Genehmigungsverfahrens beim Eisenbahnbundesamt rund zwei Jahre braucht, um die Folgen eines Hangrutsches zu beheben. Das ist „nicht akzeptabel“, sagen die CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (Düsseldorf, Peter Beyer (Ratingen) und Matthias Hauer (Essen) entsetzt.

Zusätzlich fallen immer wieder Züge aus oder haben starke Verspätungen, weil kleine Arbeiten den Verkehr behindern. „Es sind viele Baustellen geplant, die abends ab 20 Uhr den Verkehr betreffen“, sagt Ebbers. „Die Reisenden müssen immer wieder unangenehme Meldungen erwarten.“

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Foto: dpa/Peter Kneffel

So sehr die vielen Bauarbeiten nerven, sehen Experten keine Alternativen. „Es muss gebaut werden, damit der Bahnverkehr wieder deutlich verlässlicher wird“, so Frederik Ley, Chef von DB Regio NRW. „Wenn wir alle wollen, dass sich mehr Mobilität auf die Schiene verlagert, bleibt nur die Lösung das Netz auf Vordermann zu bringen – und auch mehr als bislang auszubauen“, sagt Kai Schulte, Leiter vom Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan NRW (KCITF-NRW). Er ergänzt: „Uns ist bewusst, dass Baustellen Fahrgästen viel Geduld abverlangen. Es gibt aber eine gute Nachricht: Danach wird es besser.“

Wie die Lage ist, zeigen die neuesten Statistiken des KCITF. 7,4 Prozent der Regionalbahnen oder S-Bahnen fielen kurzfristig aus im 2. Quartal, etwas weniger als im Vorjahr. Jeder vierte Zug hatte eine Verspätung von mindestens vier Minuten, beim RE1 zwischen Aachen, Köln, Düsseldorf und Essen fuhr jeder dritte Zug zu spät.

Bei Regionalexpress-Zügen waren im 2. Quartal nur 68,8 Prozent pünktlich in dem Sinne, dass sie nicht mehr als drei Minuten und 59 Sekunden Verspätung hatten. „Das sind bedrückende Werte“, so Lothar Ebbers von Pro Bahn.

Damit es besser wird, drängen Land und Verbünde darauf, dass mehr Leute angeheuert werden. „Es muss weiteres Personal rekrutiert und ausgebildet werden“, sagt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Vor rund drei Monaten ließ er eine neue Initiative starten, deren Ergebnisse bald vorgestellt werden sollen.

Bei National Express ist zu beklagen, dass die aus Wuppertal kommende Regionalbahn RB 48 (Rhein-Wuppertal-Bahn) zwischen Köln und Bonn nur noch im Stundentakt fährt, am Wochenende bleibt der Verkehr zwischen Köln Hauptbahnhof und Bonn-Mehlem weiterhin eingestellt. „Die bestehenden Betriebseinschränkungen bleiben aufgrund der Vielzahl von Baumaßnahmen sowie der angespannten Personalsituation vorerst bestehen“, erklärt das Unternehmen. Das Personal ist knapp. 49 offene Stellen sind auf der Internetseite gelistet, so werden Lokführer „schnellstmöglich“ in Krefeld, Dortmund und Wuppertal gesucht.

„Aufgrund der aktuellen personellen Engpässe entfallen zur Stabilisierung des Fahrplans im gesamten Netz die meisten Fahrten der Linie RE 11 (RRX) im Abschnitt zwischen Düsseldorf und Hamm“, ergänzt National Express.

Besser sieht es beim Marktführer DB Regio NRW aus, der insgesamt 4400 Beschäftigte hat. „Wir wollen alle eine bessere Bahn“, sagt Geschäftsführer Ley. Der Hauptweg sei, mehr Personal „Wir haben 180 neue Lokführer eingestellt. Ende des Jahres werden es 270 neue Lokführer sein. Dann hat DB Regio 1800 Lokführer, „so viele wie noch nie“, so Ley. Der Volkswirt räumt aber auch ein, es gäbe enormen Druck, weil viele Kollegen bald in Rente gehen würden und weil so mancher angelockte Lokführer dann doch wieder kündige. „Klar ist: Wir brauchen weitere Kräfte.“ Nun gehe man „neue Wege“, um Personal zu finden: „Bewerbungen sind mittlerweile per Chatbot möglich, bequem vom Handy aus. Wir stellen Quereinsteiger ein, die wir bei ihrer Umschulung unterstützen.“ Auch Flüchtlinge würden eine Chance bekommen.

Zumindest wegen Personalmangel würden diesen Herbst wahrscheinlich wenige Züge bei DB-Regio ausfallen, für die Nordwestbahn wurden Strecken übernommen. Ley: „Wir bauen stellenweise Reserven auf. Dann sind wir in der Lage, verlässlich weiterzufahren, selbst wenn einzelne Beschäftigte krankheitsbedingt ausfallen.“ Auf die Frage, ob DB Regio viele Züge streichen müsse, falls eine neue Grippewelle kommt, will sich das Unternehmen aber nicht festlegen.