Düsseldorf/Nürnberg Niemand will Air Berlin wirklich ganz

Düsseldorf/Nürnberg · Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und Ryanair sagen, sie würden eventuell Air Berlin ganz kaufen. Doch ohne Schuldenschnitt läuft nichts.

Wohl selten wird in der Wirtschaft so geflunkert, wie bei der Insolvenz eines Unternehmens - sagt ein Insolvenzverwalter, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. So sieht es auch beim aktuellen Pokern um Air Berlin aus. Der irische Billigflieger Ryanair erweckte zumindest bei Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) den Eindruck, er wolle Air Berlin möglicherweise ganz kaufen - das verkündete die Ministerin denn auch mit Freude am Wochenende. Und auch der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl erklärt seit zwei Wochen, er wolle Air Berlin als Ganzes retten, statt das Unternehmen, wie von Lufthansa geplant, zu zerlegen - doch eine Durchsicht seines vorläufigen Konzeptes zeigt, dass auch er einen starken Umbau plant. Wir erklären, warum eine weitgehende Rettung als Einheit fast undenkbar ist - und was mit den Schulden passiert. Schuldenschnitt Alle Interessenten an Air Berlin gehen davon aus, dass sie zwar Unternehmensteile oder den ganzen Betrieb übernehmen werden, aber auf keinen Fall die Schulden. Das hängt auch mit dem Ablauf des Insolvenzverfahrens zusammen: Der bereits installierte Gläubigerausschuss wird entscheiden, welche Teile des Unternehmens an welchen Bieter verkauft werden, um damit die Schulden teilweise zu tilgen. Dabei wird zählen, wie viel Geld bei welcher Lösung in die Kasse kommt - je mehr, desto besser, um die Interessen der Gläubiger auf wenigstens teilweise Rückzahlung von mehr als einer Milliarde Euro an Schulden zu gewährleisten.

Gleichzeitig wird der Gläubiger-ausschuss aber prüfen, ob Angebote für Teile von Air Berlin oder auch den ganzen Betrieb dauerhaft tragfähig sind. "Die Seriosität eines Bewerbers spielt eine große Rolle", sagt der Hamburger Insolvenzverwalter Jörn Weitzmann, "Nachfolgelösungen müssen eine dauerhafte Perspektive haben, ein reines Ausschlachten von Air Berlin, beispielsweise nur um Flugrechte zu bekommen, wäre keine denkbare Lösung." Streckennetz Experten sind sich einig, dass der einzige wirkliche Wert von Air Berlin die Start- und Landerechte in Düsseldorf, Berlin-Tegel und einer Reihe anderer Städte sind. Aber diese Rechte dürfen nicht isoliert verkauft werden, sondern nur als Teil von Betriebsteilen. Lufthansa versucht darum, gezielt für Teile zu bieten - inklusive Niki in Österreich. Bei Ryanair wäre denkbar, dass sie tatsächlich den Europabetrieb übernehmen und die Langstrecke an einen Partner weitergeben. "Die reinen Strecken von Air Berlin in Europa wären für Ryanair sicher interessant", sagt der Airline-Experte Gerald Wissel, "aber andere Teile eigentlich nicht." Betriebsübergänge Der entscheidende Punkt bei dem Ringen um Air Berlin ist die Frage, welche Teile der 8500 Mitarbeiter zählenden Belegschaft zu welchen Bedingungen bei neuen Arbeitgebern landen können. Wöhrl erklärt dazu, er habe bei keiner seiner Sanierungen wie auch früher bei der LTU "die Sanierung auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen". Tatsache ist aber, dass die Ticketpreise in den vergangenen Jahren um rund ein Drittel abrutschten und dass Air Berlin im ersten Quartal 293 Millionen Euro verlor. "Wenn ich am Tag drei Millionen Euro verbrenne, ist eine radikale Sanierung nötig", sagt Wissel. "Darum wäre ein Neustart von Air Berlin auch nach einem Schuldenschnitt extrem schwer." Wöhrl meint dagegen, durch neue Ferienstrecken Gewinne reinholen zu können - eine sehr optimistische Annahme.

Lufthansa versucht nun, das Lohnniveau zu drücken, indem wechselnde Mitarbeiter die schlechteren Verträge des Lufthansa-Ablegers Eurowings unterschreiben müssen - eine juristisch wackelige Lösung. Was würde Ryanair tun? Zumindest bisher hat die Billigfirma noch nie Tarifverträge nach deutschem Recht abgeschlossen.

(RP)
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