Brüssel Neue Abgastests in der EU

Brüssel · Zukünftig werden Emissionen auf der Straße und nicht mehr im Labor getestet. Doch die Opposition im EU-Parlament ist mit dem Beschluss unzufrieden.

Es ist ein parlamentarischer Krimi gewesen, der am Ende das von der Autoindustrie gewünschte Ergebnis gebracht hat. Nach langem Streit gibt es in der EU nun zwar einen neuen Rahmen für realistischere Abgastests für Dieselfahrzeuge ab 2017. Aber es sollen jahrelang großzügige Abweichungen von geltenden Grenzwerten erlaubt sein. Mit 317 zu 323 Stimmen unterlagen jene Europaabgeordneten, die einen aus ihrer Sicht völlig verwässerten Kompromiss zu den zukünftigen Emissionsobergrenzen unter realen Fahrbedingungen zu Fall bringen wollten. Ein Teilerfolg also. Nun werden die Abgastests im Fahrbetrieb von September des kommenden Jahres an Pflicht.

Der abgesegnete Kompromiss sieht ab Ende Oktober die Einführung eines sogenannten Konformitätsfaktors vor: Im Test auf der Straße dürfen zunächst 168 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer ausgestoßen werden, also das 2,1-Fache des nach der Euro-6-Abgasnorm erlaubten Wertes. 2019 wird die Abweichung auf den Faktor 1,5 begrenzt. Dann dürfen maximal 120 Milligramm NOx in die Luft geblasen werden.

Die Gegner ärgern sich, die Befürworter sind auch nicht restlos glücklich über das Procedere. "Die Vertreter der EU-Staaten haben über das neue Testverfahren de facto neue Grenzwerte für Stickoxidemissionen von Dieselautos beschlossen, die doppelt so hoch wie die 2007 beschlossenen Werte sind", ärgert sich der SPD-Europaabgeordnete Matthias Groote, der Mitglied im Umweltausschuss ist. "Ich hätte mir auch strengere Werte vorstellen können, aber bei einer Ablehnung der Werte hätte die Gefahr bestanden, dass wir auf Jahre hin weiter nur Tests im Labor gehabt hätten", sagte auch der CDU-Umweltpolitiker Peter Liese, nachdem er den Kompromiss gestern doch noch unterstützt hatte: "Dies wäre für die Umwelt überhaupt kein Fortschritt gewesen."

Als Erfolg und Konsequenz aus der Volkswagen-Dieselaffäre konnte der Kompromiss tatsächlich nur verkauft werden, weil die Abweichungen vom Grenzwert in der Realität noch größer sind. "Wir wissen, dass diese Emissionen im Durchschnitt 400 Prozent höher liegen, manchmal also noch weit darüber", sagt die Sprecherin der zuständigen EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska: "Weil sie den tatsächlichen Ausstoß besser wiedergeben, werden die Tests unter realen Fahrbedingungen die Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge reduzieren."

Um den Abgeordneten diesen "Besser als gar nichts"-Kompromiss schmackhaft zu machen, hatte die EU-Kommission erst vergangene Woche ein umfangreiches Reformpaket vorgestellt, mit dem es weniger Mauscheleien bei Typengenehmigungen und mehr Reaktionsmöglichkeiten für die Behörden vor Ort geben soll, wenn ein Fahrzeug Umweltstandards nicht erfüllt.

Die polnische Kommissarin trat zudem unmittelbar vor der Abstimmung im Straßburger Plenarsaal ans Mikrofon - was ungewöhnlich ist. Bienkowska sagte im Namen der EU-Kommission zu, dass über einen Gesetzesvorschlag der Brüsseler Behörde "der Konformitätsfaktor so früh wie möglich, spätestens jedoch im Jahr 2023 auf eins reduziert wird". Im Klartext: Dann sollen die vom europäischen Gesetzgeber verabschiedeten Grenzwerte auch wirklich unter allen Bedingungen gelten. Bienkowska forderte die Autoindustrie daher auf, "schon jetzt mit der Entwicklung von Fahrzeugen zu beginnen, die den Faktor eins auch einhalten können".

Die Hersteller reagierten erleichtert auf das Straßburger Abstimmungsergebnis, da sie bei einem Nein befürchtet hatten, keine Planungssicherheit und schließlich zu wenig Zeit zur Umstellung ihrer Produktionsstraßen zu haben: "Im Endeffekt würde das Verbesserungen der Luftqualität verzögern, speziell in den Städten", hatte Erik Jonnaert, der Generalsekretär des europäischen Dachverbandes Acea, noch am Dienstag gewarnt. Das Votum begrüßte Jonnaert entsprechend als "dringend benötigte Klarheit".

"Die deutsche Autoindustrie ist daran interessiert, so schnell wie möglich realistischere Angaben zu Verbrauch und Emissionen ihrer Modelle anbieten zu können", teilte VDA-Präsident Matthias Wissmann mit.

Unterdessen wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneut Daimler den Einsatz einer Abschalteinrichtung in einem Diesel-Fahrzeug der C-Klasse vor. Dies würden eine interne Information belegen. Daimler streitet die Vorwürfe ab.

(RP)
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