Nahverkehr in NRW VRR gibt Abellio eine neue Chance

Essen/Düsseldorf · 2022 soll der Bahnbetreiber viele Routen in NRW aufgeben, doch der VRR fürchtet ein Chaos. Nun drängt der VRR darauf, wenigstens Infos zu den betriebenen Zugstrecken zu erhalten.

 Ein Abellio-Zug steht am  Siegener Hauptbahnhof.

Ein Abellio-Zug steht am Siegener Hauptbahnhof.

Foto: dpa/Rene Traut

Abellio ist als zweitwichtigster Partner des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) nach der Deutschen Bahn eigentlich tot, macht aber eventuell trotzdem weiter. So lässt sich ein am Montag gefasster Beschluss des VRR-Verwaltungsrats zusammenfassen. Demnach beendet Europas größter Verkehrsverbund zum 1. Februar die langfristige Zusammenarbeit mit Abellio, weil der Ableger der niederländischen Staatsbahn sich weigert, zu den früher vereinbarten Preisen weiterzufahren. Derzeit ist Abellio wegen anhaltender Verluste im Schutzschirmverfahren, einem Sanierungsprozess im Rahmen des Insolvenzrechts. Rund 100 Beschäftigte von Abellio demonstrierten während der Sitzung des Verwaltungsrats in Essen gegen den Untergang ihres Arbeitgebers; insgesamt hat die Firma 1080 Beschäftigte.

Doch der VRR wird hinnehmen, dass sich Abellio bis zum 7. Dezember dafür bewirbt, viele oder alle der jetzt gefahrenen Strecken nach einem Notverfahren wieder zugeteilt zu bekommen. Bisher hatte der VRR geplant, diese Routen, darunter einige S-Bahn-Strecken oder auch den RE1 (RRX), an DB Regio, National Express oder andere Konkurrenten von Abellio zu vergeben. Nun könnte die Firma sich selbst bewerben. „Wir werden ein Angebot von Abellio zulassen, wenn dies rechtlich zulässig ist“, sagte Frank Heidenreich, Sprecher der CDU-Fraktion im VRR-Verwaltungsrat.

Der Clou dabei: Abellio wäre die alten Verträge los, die das Unternehmen verpflichten, S-Bahnen und Regionalbahnen zu sehr günstigen Preisen für den VRR und die anderen Verkehrsverbünde zu betreiben. Stattdessen winken für die neuen Verträge viel höhere Einnahmen, denn das Land hat den Verkehrsunternehmen 380 Millionen Euro dafür versprochen, die künftig höheren Kosten für den Schienenpersonennahverkehr in NRW zu tragen.

Dabei ist noch viel Streit zwischen VRR und Abellio zu erwarten. Norbert Czerwinski, Sprecher der Grünen im Verwaltungsrat, berichtete, dass Abellio sich bisher geweigert habe, die Daten über die Strecken und den Personaleinsatz preiszugeben. Darum konnte der VRR mit den Konkurrenten bisher keine ernsthaften Gespräche darüber führen, zu welchen Bedingungen sie Routen übernehmen würden.

Nun fürchtet der VRR massive Ausfälle und Verspätungen ab spätestens Ende Januar, weil die Übergabe der Strecken wegen der immer neuen Verzögerungen schiefgehen könnte. Als einzige Gegenmaßnahme bleibt, sich mit Abellio zu einigen: „Das Hauptziel unserer Beschlüsse ist, keinen an der Bahnsteigkante zurückzulassen“, sagt CDU-Mann Heidenreich. Norbert Czerwinski von den Grünen ergänzt: „Wir wollen möglichst wenig ruckeln. Der Bahnbetrieb muss laufen. Wir sind stinksauer, dass Abellio bisher keine Gespräche mit den anderen Verkehrsunternehmen führen will.“

Am Ende ergibt sich das Bild, dass der VRR sich aus der Abhängigkeit von Abellio nur sehr schwer lösen kann. Dabei scheinen Management und Betriebsrat des Unternehmens sich verschworen zu haben, um den VRR einzuschüchtern: Ein Betriebsrat verkündete bei der Demonstration, es sei damit zu rechnen,dass viele Kollegen und Kolleginnen nicht zu Wettbewerbern wechseln werden, wenn diese bisherige Abellio-Strecken übernehmen. Außerdem sei fast unmöglich, das ganze Personal auf neue Abläufe bei anderen Unternehmen einzustellen, der Übergang werde also scheitern. Das Management ließ sich dagegen viele Monate Zeit, um zu bekunden, auch Abellio sei an den Notvergaben als künftigem Auftrag interessiert. Das wurde in einem Brief angekündigt, ein reales Angebot gibt es nicht.

Ein VRR-Kenner sagt: „In anderen Wirtschaftsbereichen würde ein schwieriger Partner wie Abellio einfach rausgeworfen, verklagt und ausgetauscht mit einer fairen Übernahme des Personals. Der VRR und die Landesregierung taktieren sich hier noch zu Tode mit ihren Verhandlungen seit mehr als einem Jahr.“

Die SPD will den Streit mit Abellio im Landtag zur Sprache bringen. Der SPD-Vertreter beim VRR-Verwaltungsrat unterstützt allerdings den Versuch, mit Abellio irgendwie noch handelseinig zu werden, um ein Fahrplanchaos Ende Januar zu vermeiden.

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