Kroatien tritt im Januar bei Mit 20 in die neue Eurozone

Brüssel · Totgesagte leben länger: Kroatien tritt als 20. Mitglied der Eurozone bei. Diese hat aus schweren Krisen gelernt. Ein Rückblick auf Starter-Kits, Teuro und Grexit. Die Euro-Zone hat alles überstanden.

 DIe EZB in Frankfurt wacht über den Euro.

DIe EZB in Frankfurt wacht über den Euro.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Als am 1. Januar 2002 die Euro-Banknoten eingeführt wurden, knallten die Sektkorken. Für viele begann das neue Jahr mit dem Gang zum Geldautomaten. Über Nacht gab es ein Zahlungsmittel, das in gleich zwölf Ländern der Eurozone gültig war. Seither ist die Währungsunion immer weiter gewachsen und hat viele Krisen durchlebt. Zum 1. Januar begrüßt sie nun Kroatien als 20. Mitglied. Das sei etwas, was sie bestimmt feiern werde, sagt Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB). Rückblick auf eine wechselvolle Geschichte.

Schon 1999 wurde der Euro als Buchgeld eingeführt. Wer Mitglied in dem Club werden wollte, musste die Konvergenzkriterien erfüllen, die damals so bekannt waren wie heute die Corona-Inzidenz. Das Haushaltsdefizit durfte nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, der Gesamtschuldenstand nicht mehr als 60 Prozent. Elf Länder schafften das damals. Griechenland behauptete es.

Die Deutschen, die an ihrer D-Mark hingen, begegneten der neuen Währung skeptisch. Doch mit der Ausgabe der „Starter-Kids“, einer ersten Sammlung an Euro-Münzen, änderte sich das im Dezember 2001. Für 20 Mark erhielten die Deutschen Münzen im Wert von 10,23 Euro, eingeschweißt in ein Plastiksäckchen. Betriebe und viele Bürger waren begeistert von der Währungsunion, machte es doch Handel und Tourismus leichter. Andere witterten dagegen eine Teuerungswelle, der Euro wurde als Teuro geschmäht. Vor allem der Gastronomie wurde vorgeworfen, die Preise eins zu eins umgestellt – faktisch also verdoppelt – zu haben.

Zehn Jahre später geriet die Eurozone in eine existenzielle Krise. Griechenland musste einräumen, dass seine Verschuldung viel höher war als angegeben. Dass Land hat seine Aufholjagd beim Wachstum schuldenfinanziert. Die Finanzkrise 2007 hatte Staaten weltweit gezwungen, ihre Banken zu retten und Volkswirtschaften vor dem Absturz zu bewahren. Die Chance für ein Land, die eigenen Waren durch eine Abwertung wieder wettbewerbsfähig zu machen, gibt es bei einer Gemeinschaftswährung nicht. Griechenland stürzte ab, Banken schlossen für Tage und wurden anschließend bestürmt, es gab gewalttätige Demonstrationen gegen die Sparauflagen der helfenden Euro-Staaten.

In Deutschland gab es hitzige Debatten, Griechenland aus dem Euro zu werfen. Auch der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war dafür. Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) dachte weiter und ließ ihn abblitzen. Nicht nur aus europapolitischen Gründen. Zu groß war die Gefahr, dass die Investoren sich nach einem Grexit Italien und Spanien vornehmen würden. Schon damals stiegen die Zinsen, die diese Staaten für ihre Anleihen zahlen mussten, gefährlich an. Griechenland zu retten, war kein Problem, eine Rettung von Italien als dem drittgrößten Land der Eurozone wäre dagegen unmöglich geworden.

Doch die Webfehler der Währungsunion wurden offensichtlich: Man hatte in Griechenland mindestens ein Land in die Gemeinschaft gelassen, das ihr wirtschaftlich und rechtstaatlich nicht gewachsen war, das zu einseitig auf den Tourismus setzte und durch den Euro seine Exportvorteile verlor. Und es gab keinen Mechanismus, ein Land kontrolliert in die Insolvenz oder aus der Währungszone zu schicken. Immer neue Rettungspakte wurde geschnürt, am Ende gab es fast 300 Milliarden Euro.

Dann musste Mario Draghi ran: Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) kündigte im Juli 2012 auf einer Investorenkonferenz an, die EZB werde alles tun, um den Euro zu tun - „whatever it takes“ würde zum berühmten Zitat dieser Krise. Der Italiener fügte hinzu: „Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“ In der Tat: Die Ankündigung reichte, damit Hedgefonds und Finanzinvestoren die Wetten gegen Griechenland und andere Länder einstellten, die Renditen der südeuropäischen Staatsanleihen beruhigten sich wieder. Um ihren Ernst zu unterstreichen, leitete die EZB ihre ultralockere Geldpolitik ein - aus der sie nun so mühsam wieder herausfindet. Das macht die aktuelle Bekämpfung der Inflation so schwer. Draghi wurde oft kritisiert für sein Durchgreifen. Doch letztlich hat er den Euro gerettet. Die EZB musste mit der Geldpolitik einspringen, weil die Fiskalpolitik versagte: Die Staaten waren zerstritten und zu feige, um harte Sparprogramme zur Senkung der Schulden durchzusetzen. Immerhin gibt es nun viel stärkere Auflagen für Banken und ihr Eigenkapital.

Nach der Euro-Krise setzte ein außergewöhnliches Jahrzehnt des Wohlstands und Wirtschaftswachstums ein, das viele Problem erledigte. Im August 2022 beendete die EU ihre Finanzaufsicht für Griechenland. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis versprach seinen Landsleuten einen Neubeginn „voller Wachstum, Einheit und Wohlstand“.

Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine endete die goldene Dekade für Europa. Die schwere Energiekrise treibt die Inflation in der Eurozone auf zehn Prozent. Einmal mehr muss die EZB Feuerwehr spielen.

Kroatien schreckt das nicht ab. Nun wird die heimische Währung, der Kuna, im Verhältnis von rund 7,5 zu eins gegen den Euro umgetauscht. Der Beitritt zeige, dass sich die europäische Integration trotz aller Widrigkeiten fortsetze, erklärte die kroatische Regierung. Die wichtige Tourismus-Industrie, etwa an der Adria, freut sich. Wie einst in Deutschland fürchten zugleich andere einen Preisschub durch die Umstellung.

Lagarde setzte in ihrer Videobotschaft zum Jahresende auf Zuversicht: „Ich weiß, dass die hohe Inflation jeden schmerzt, vor allem die Armen. Ich verspreche, wir werden unser Bestes geben, um die Inflation zu senken. Und wir werden es schaffen.“ Das wollen die bald 347 Millionen Einwohner der Eurozone gerne glauben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort