Cum-Ex-Skandal Milliardenschäden – Politik will durch Gesetzesänderung mehr Geld zurück

Berlin/Köln · Keine Steuern zahlen, aber mehrfach erstattet bekommen? Klingt absurd, war bei Cum-Ex-Steuerdeals aber traurige Realität. Noch läuft die Aufklärung des Skandals. Damit keine Fälle verjähren, handelt jetzt der Gesetzgeber.

 Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) bei einer Sitzung des Bundestags.

Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) bei einer Sitzung des Bundestags.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bei der Aufarbeitung von Milliardenschäden für die Staatskasse durch Cum-Ex-Steuerdeals erhöht die schwarz-rote Koalition den Druck auf Täter. Nach Gesetzesänderungen sollen veruntreute Milliardengelder länger als bisher möglich zurückgeholt werden können. Dafür soll die Einziehung rechtswidrig erlangter Gewinne auch in verjährten Fällen möglich sein. Daneben soll die Verjährungsfrist für besonders schwere Steuerhinterziehung von 10 auf 12 Jahre verlängert werden.

Unionsfraktionsvize Andreas Jung sagte am Dienstag in Berlin: „Bei der Verfolgung von Cum-Ex-Taten und beim Rückholen der Steuermittel braucht es Konsequenz und Härte.“ Durch Cum-Ex-Geschäfte rechtswidrig erlangtes Vermögen müsse eingezogen werden, zum Jahresende dürften diese schweren Taten nicht verjähren. SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte, die Täter dürften die milliardenschweren Erträge ihres Steuerschwindels auf keinen Fall behalten dürfen.

Bei Cum-Ex-Geschäften inszenierten Aktienhändler gegenüber dem Fiskus ein Verwirrspiel mit Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenansprüche. Anleger ließen sich eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu wurden rund um den Dividendenstichtag diese Aktien zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Finanzämter erstatteten dann Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem deutschen Staat entstand dadurch ein hoher Schaden, einer Schätzung zufolge könnten der Fiskus um 30 Milliarden Euro geschröpft worden sein.

Die Cum-Ex-Transaktionen wurden vor allem im Zeitraum von 2006 bis 2012 gemacht. 2009 gab es besonders viele solcher Aktiendeals, die 2010 steuerlich geltend gemacht wurden. Diese Fälle könnten nach derzeitiger Rechtslage Ende 2020 – also nach einer Zehn-Jahres-Frist – verjähren. Da die Behörden damit rechnen, dass noch zahlreiche weitere Tatbestände ermittelt werden, will man dies unbedingt vermeiden. Würde die Frist verlängert, hätten Ermittler mehr Zeit, um Licht ins Dunkel zu bringen und mehr Beteiligte ausfindig zu machen. Stand Ende Oktober waren bei der Kölner Staatsanwaltschaft 69 Strafverfahren anhängig gegen 927 natürliche Personen. Mit der veränderten Verjährungsfrist dürfte die Zahl deutlich steigen.

SPD-Fraktionsvize Post sagte, Rückforderungen seien bereits erheblich erleichtert worden. Nun sollten in einem zweiten Schritt zügig weitere gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht werden, die eine noch weitergehende staatliche Einziehung der Cum-Ex-Gewinne ermögliche und die Verjährungsfristen zusätzlich verlängere. „Die Botschaft ist klar: Steuerbetrug an der Allgemeinheit darf sich nicht lohnen. Die Täter müssen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.“ Nach den Worten von CDU-Mann Jung werden nun rechtliche Hürden abgeräumt, die der Einziehung von Mitteln entgegenstehen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) schrieb in einem Brief an die Mitglieder der Regierungsfraktionen, um rechtswidrig durch Cum-Ex-Geschäfte erlangte Erträge einzuziehen, sei eine Gesetzesänderung nötig. Etlichen staatlichen Ansprüchen könnte nach derzeitiger Rechtslage das Hindernis der Verjährung entgegenstehen.

Ursprünglich sei geplant gewesen, die notwendige Gesetzesänderung im Zuge einer ohnehin angedachten Reform der Strafprozessordnung herbeizuführen. Die Reform werde allerdings voraussichtlich erst Mitte des nächsten Jahres in Kraft treten. „Mit der Einziehung der Cum-Ex-Erträge wollen wir indes keinen Tag länger warten als notwendig.“ Daher sollten notwendige Änderungen aus dem Entwurf zur Reform der Strafprozessordnung herausgelöst und ins Jahressteuergesetz gebracht werden.

Für eine härtere Gangart hatte sich auch NRW-Justizminister Peter Biesenbach ausgesprochen, der eine Bundesratsinitiative eingebracht hatte. Der Christdemokrat war für die Anhebung der Verjährung auf 15 Jahre ausgesprochen, nun sollen es 12 Jahre werden.

Der Landespolitiker zeigte sich mit der aktuellen Entwicklung zufrieden: „Ich bin froh, dass sich die Bundesregierung bei der Vermögensabschöpfung und insbesondere bei der Verlängerung der relativen Verjährungsfrist doch noch den von uns über den Bundesrat angemahnten Nachbesserungen angeschlossen hat.“ Die Sachverhalte müssten aufgeklärt und die durch eine „Steuerhinterziehungsindustrie“ rechtswidrig erlangten Vermögensvorteile abgeschöpft werden. „Alles andere wäre mit meinem Gerechtigkeitsempfinden nicht zu vereinbaren.“

Bei der Kölner Staatsanwaltschaft sind die bundesweit mit Abstand meisten Strafverfahren anhängig, weil das Bundeszentralamt für Steuern seinen Dienstsitz in Bonn hat - dafür ist die Schwerpunkteinheit aus Köln zuständig.

Im bundesweit ersten Cum-Ex-Strafprozess hatte das Landgericht Bonn im März zwei britische Aktienhändler, die als Kronzeugen umfassend zur Aufklärung beigetragen hatten, zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es war das erste Mal, dass Cum-Ex als Straftat gewertet wurde. Das letzte Wort hierzu hat der Bundesgerichtshof - wann er entscheidet, ist noch unklar.

(june/dpa)
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