Seattle Microsoft-Chef Ballmer zieht sich zurück

Seattle · Der Spitzenmann des Software-Konzerns kündigt einen Abschied auf Raten an. Nach 33 Jahren im Unternehmen macht er den Weg frei für einen Neuanfang. Die Börse reagiert mit einem Kursfeuerwerk für die Microsoft-Aktie.

Immer dann, wenn ein Unternehmen eine aus Sicht der Börse positive Nachricht zu verkaufen hat, steigt der Aktienkurs. Insofern hat Microsoft-Chef Steve Ballmer dem Software-Konzern gestern einen Riesengefallen getan mit der Ankündigung, er wolle sich binnen zwölf Monaten von seinem Amt zurückziehen. Rund sechs Prozent hat die Aktie danach zugelegt, und das muss Ballmer endgültig den Eindruck vermittelt haben, dass viele nur auf seine Demission gewartet haben.

Es wäre unfair, Ballmer auf seine falsche Einschätzung zur Entwicklung des iPhone zu reduzieren. Aber die Fehlprognose von 2007 ("Wer soll denn das teuerste Telefon der Welt kaufen") hängt dem Gates-Freund auch sechs Jahre nach diesem Ausspruch noch nach. Längst hat Microsoft diesen Fehler erkannt und auf die gewaltige Nachfrage nach Smartphones reagiert. Doch das dauerte drei Jahre, und dann landete Microsoft mit dem Kin (für Jugendliche) erst mal einen Flop. Nach 48 Tagen waren die Geräte wieder vom Markt. Heute gibt es das Windows Phone, ein Betriebssystem für Smartphones, das nach der im Februar 2011 angekündigten Allianz zwischen Microsoft und Nokia das bevorzugte Betriebssystem auf Nokia-Smartphones ist. Doch der einstige Branchenführer Nokia ist als Handy-Anbieter deutlich hinter die Konkurrenten Samsung und Apple zurückgefallen.

Ballmers zweite Fehleinschätzung war die, dass die Menschen noch lange PC gebrauchen würden. Doch der Trend zum Tablet ist unaufhaltsam. Darunter leiden auch Hardware-Hersteller wie Hewlett Packard, aber eben auch Microsoft. Mit dem Surface ist der Konzern zwar mittlerweile auch auf dem Tablet-Markt unterwegs, doch die Verkaufszahlen hinken hinter denen der großen Konkurrenten hinterher. Und manchen alten Kunden mag Microsoft in dieser Woche auch noch damit vergrätzt haben, dass das Unternehmen im April 2014 die Updates für das alte Betriebssystem Windows XP einstellt.

Jetzt macht Ballmer den Weg frei für einen neuen Microsoft-Kurs. Der Microsoft-Verwaltungsrat hat einen Sonderausschuss für die Suche nach einem Nachfolger eingerichtet, und einer der Favoriten soll Tony Bates sein, bei Microsoft für die Business-Sparte zuständig.

Ballmer war im Juni 1980 zu Microsoft gestoßen. Auch ihm, dem Freund von Bill Gates, ist es zu verdanken, dass Microsoft ein Multimilliarden-Konzern geworden ist und fast 100 000 Beschäftigte hat; dass unter ihm Umsatz und Gewinn weiter wuchsen, weil er Microsoft zum Kern eines Systems von Hardware-Verkäufern und Servicefirmen machte. Und mit der Xbox hatte Microsoft über Jahre einen erfolgreichen Spielekonsolen-Auftritt.

Doch nichts ist so schnell vergessen wie die Verdienste von einst. Erst recht, wenn es um das Internet geht. Das gilt auch für einen wie Steve Ballmer.

(RP)
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