"Merkel macht stringente Politik"

Interview BDA-Chef Dieter Hundt ist vor EU-Gipfel "vorsichtig optimistisch"

Bereiten sich die Unternehmen bereits auf das Ende des Euro vor?

Hundt Die deutsche Wirtschaft will den Euro stabilisieren und behalten. Wir unterstützen alle Maßnahmen, die das Vertrauen in unsere Währung stärken. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass die Regierungen jetzt auf dem richtigen Weg sind. Ich bin heute sogar zuversichtlicher als vor zwei Monaten.

Aber die Krise schwelt doch weiter!

Hundt Stimmt, das Ausmaß der Krise ist noch deutlicher geworden. Andererseits sind wir jetzt auf dem richtigen Weg, um den großen Crash zu verhindern. Ich begrüße die stringente Politik der Bundeskanzlerin sehr. Es muss jetzt eindeutig vereinbart werden, dass die Euro-Länder zum Schuldenabbau verpflichtet sind, die EU-Kommission in die nationalen Haushalte eingreifen kann und dass es vor allen Dingen automatische Sanktionen gegen Defizitsünder gibt. Nur dann sind weitere Hilfen möglich.

Die Kanzlerin wird also Eurobonds oder anderen Hilfen doch zustimmen?

Hundt Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Euro-Rettung weitere Anstrengungen erfordert. Das ist nicht zu vermeiden. Wir ziehen in Deutschland den größten Nutzen aus der Währungsunion, also sind wir auch verstärkt in der Pflicht.

Was halten Sie davon, wenn nur die 17 Euro-Staaten vorangehen und unter sich strengere Regeln vereinbaren?

Hundt Die erwünschte Fiskalunion ist wahrscheinlich nicht kurzfristig umsetzbar. Die Gefahr besteht darin, dass dieser richtige Schritt zu spät kommt. Deshalb spricht einiges dafür, dass zunächst die Euro-Länder vorangehen. Problematisch wird es aber, wenn nur eine kleine Gruppe von besonders stabilen Euro- Staaten sich strengere Regeln auferlegen würde.

Wie bewerten Sie die Beschlüsse von Merkel und Sarkozy für den Gipfel?

Hundt Ich begrüße diese Beschlüsse. Ich habe bereits vor drei Monaten eine neue vertragliche Grundlage für die Eurozone in Form eines "Maastricht II" gefordert. Daran führt kein Weg vorbei.

Viele warnen bereits vor einer Rezession in Deutschland – zu Recht?

Hundt Aus der Realwirtschaft gibt es bislang kaum Hinweise, dass es zu einer Rezession oder einem Absturz kommt. Im Gegenteil, die Zahlen aus der Realwirtschaft stimmen durchaus optimistisch. Der Fahrzeugbau, die Zulieferindustrie, der Maschinenbau, die chemische Industrie befinden sich unverändert auf hohem Niveau. Vorausgesetzt, ein großer Crash à la 2008 bleibt aus, werden wir auch im nächsten Jahr ein Wachstum von rund 1,5 Prozent erreichen. Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt wird unverändert anhalten. Wir haben in vielen Bereichen eher das Problem fehlender Fachkräfte.

Birgit Marschall führte das Gespräch. Die Langfassung auf www.rp-online.de.

(RP)
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